Mordskerle (German Edition)
kritisch wurde…
Axel kehrte, nach einer kleinen Runde durch den Raum, zurück zu seinem Sessel, setzte sich, zupfte sorgfältig die Bügelfalte seiner Versace-Anzughose zurecht, legte die Arme auf die Sessellehnen und betrachtete Lena dann ganz nüchtern, ja, abschätzend.
„Ich hatte Glück, als ich Max Breidbach vor dir besuchte. Und gleichzeitig Pech, weil ich ihn in der Dunkelheit doch beinahe verfehlte.“ Das erläuterte er ohne jede Emotion.
„Wieso wusstest du, wo er lebt? Es hieß doch nur, er sei unter getaucht“, stammelte Lena verzweifelt.
Axel blies ein paar unsichtbare Stäubchen von seinem Jackettärmel. Ohne Lena anzuschauen, antwortete er:
„Das war purer Zufall. Vor ein paar Wochen, als ich unterwegs nach Sylt war, bekam ich in Niebüll keinen Anschluss nach Westerland mehr. Da bin ich etwas ziellos herum gefahren, ohne zu wissen, was ich eigentlich wollte. So kam ich nach Seebüll und landete in einem kleinen Atelier, wo eine Frau malte und töpferte. Ihre Bilder fand ich ganz nett, aber ihr Getöpfertes mochte ich nicht…“ Er verzog herablassend den Mund. „Und während ich noch durch den Laden schlenderte, kam plötzlich ein Mann herein, den sie Max nannte und als ich genauer hinsah, erkannte ich Max Breidbach. Inken bewahrt immer noch die alten Fotos von damals auf, und da ich die hässliche Angewohnheit habe, in den Sachen anderer Leute zu kramen, fielen mir die Bilder irgendwann in die Hände. Er war zwar fünfzehn Jahre älter als damals, aber ich wusste sofort, dass er es war.“
„Du hast ihn fast umgebracht!“, fuhr Lena auf. „Was hattest du denn von ihm zu befürchten?“
Axel machte eine vage Handbewegung. „Ich bin mir nicht sicher, aber es ist möglich, dass er auch etwas über mich weiß. Meine Mutter hat sich vor vielen Jahren mal bei ihm ausgeweint, als sie bei der Suche nach einem Anwalt in seiner Kanzlei landete.“ Er zwinkerte Lena verschwörerisch zu. „Ich hatte damals ein paar Probleme, weil man mich auf dem Schulhof mit Koks erwischt hatte. Es gelang mir jedoch, alle davon zu überzeugen, dass ich keine Ahnung hatte, wie das Zeug in meine Tasche kam.“
Ich möchte ohnmächtig werden, war alles, was Lena noch denken konnte. Warum kann ich nicht einfach in Ohnmacht fallen und erst wieder aufwachen, wenn alles vorbei ist? Nur, um irgendetwas in die unerträgliche Stille zu sagen, murmelte sie kraftlos:
„Ach, ein bisschen Koks haben wir doch alle mal…“
Da fuhr Axel sie wütend an: „Es war nicht nur ein bisschen Koks! Es war auch, weil man mich mit einem anderen Jungen in den Toiletten erwischt hatte.“
Er sollte endlich aufhören zu reden.
Er sollte still sein, schweigen, seinen schönen, aber so erbarmungslosem Mund halten. Lena wollte nichts mehr wissen. Wieso hörte er nicht auf, so viele schreckliche Dinge zu sagen?
Axel dachte nicht daran, aufzuhören. Stattdessen kam er zu ihr, stützte seine Hände links und rechts auf den Lehnen des alten, schönen Stuhls ab, an dem er sie fest gebunden hatte, und sagte freundlich in Lenas schreckensbleiches Gesicht:
„Ich bin nämlich so wie Bernhard Beer, Lena. Zugegeben, manchmal schlafe ich auch mit einer Frau, aber das war für mich nie besonders reizvoll. Bernhard Beer hatte übrigens nichts dagegen, dass ich seine Tochter heiratete. Er dachte eben immer ganz praktisch. Hinter mir steht das Vermögen meiner Familie. Das war für die Beer AG höchst interessant. Schade eigentlich, dass es unseren armen Freund Bernhard da oben auf dem Berg so unvorbereitet erwischte.“
Er lächelte wieder liebenswürdig. „Für mich war das ausgleichende Gerechtigkeit. Als ich davon hörte, sagte ich mir, dass es doch so etwas wie ein Schicksal gibt. Der Blitz hat Bernhard erschlagen, als er im Begriff war, etwas sehr Böses zu tun.“
„Was?“ Lena hatte kaum noch die Kraft für dieses eine Wort.
Axel fiel wieder in seinen Sessel. Sekundenlang starrte er ins Leere, als hätte ihn Lenas Frage gar nicht erreicht. Dann, als Lena keine Antwort mehr erwartete, kam plötzlich ein Geräusch, ein Ton über die Lippen des jungen Mannes, der sie zusammenzucken ließ.
Axel Lentz weinte. Tränen liefen ihm über die Wangen, strömten, als hätte sich in ihm ein Damm geöffnet. Schließlich, nach einer Ewigkeit, atmete er einige Male tief durch. Dann fuhr er sich wie ein kleiner Junge mit dem Handrücken über das Gesicht.
„Aber es kam alles zu spät. Er wollte mir Metin weg nehmen“, flüsterte er dabei.
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