Mordskerle (German Edition)
zitterte Annelie innerlich. Nun hatte sie nur noch eine einzige bange Frage. „Du hast ihr kein Fax geschickt?“
Inken schlief schon fast wieder. „Nein, hab´ ich nicht. Und jetzt lass mich endlich in Ruhe, okay?“
Annelie wartete nicht, bis Inken das Gespräch beendete, sondern machte bereits auf dem Absatz kehrt und so schnell, wie man sie anschließend zu ihrem Citroen laufen sehen konnte, war sie in ihrem ganzen Leben nicht gerannt.
Sie rief Vonhoff an und fiel dem Oberkommissar gewissermaßen in das spätabendliche Fernsehprogramm wie eine Fliege in die Suppe. Vonhoff zeigte sich dann auch nicht übermäßig enthusiastisch.
„Natürlich stören Sie“, bescheinigte er ihr vorwurfsvoll auf ihre Frage. „Ich guck´ mir gerade einen alten Tatort an.“
„Das wirkliche Leben ist noch viel spannender“, rügte Annelie und sprudelte dann hervor, war sie gerade von Inken gehört hatte.
Jetzt wurde Vonhoff schlagartig hellwach. „Das ist interessant“, fasste er zusammen. „Ich fahre gleich mal `rüber. Vorher informiere ich aber noch die Kollegen in Lübeck.“
„W i r fahren gleich mal `rüber“, korrigierte Annelie ihn entschlossen. „Ich habe hier keine ruhige Minute, solange ich nicht weiß, was mit Lena los ist.“
„Ihre Tochter“, ergänzte Vonhoff daraufhin sachlich, „ist eine ziemlich eigenwillige Person, die sich offenbar darin gefällt, Räuber und Gendarm zu spielen.“
„Ach Gottchen“, seufzte Annelie reumütig, „genau genommen ist ja alles meine Schuld.“
Es war fast Mitternacht, als Annelie an der Ostsee ankam. Da wartete der Oberkommissar seit gerade mal zwei Minuten in seinem Privatwagen vor Annelies Ferienhaus. Als er den Citroen kommen sah, stieg er aus, um Annelie entgegen zu gehen.
Sie war so außer Atem, als hätte sie die Strecke von Hamburg bis hier zu Fuß zurückgelegt. „Wissen Sie etwas?“, stieß sie sofort hervor, kaum, dass Vonhoff sie erreicht hatte.
Er hob beschwichtigend die Hände. „Die Lübecker Kollegen umstellen gerade das Haus. Hören Sie, ich will nicht, dass Sie da jetzt `rüber rennen und eine Katastrophe herauf beschwören. Wir können nicht absolut sicher sein, dass Ihre Tochter tatsächlich da drin ist und falls doch, mit wem. Also keine Alleingänge und absolute Vorsicht, verstanden?“
„Oh, ich werde schrecklich vorsichtig sein“, beteuerte Annelie.
„Genauso habe ich Sie eingeschätzt“, brummte er daraufhin, und weil sie sofort losrennen wollte, hielt er sie am Ärmel ihres Trenchcoats zurück. „Sie bleiben hier, ist das klar?“
Annelie hob die rechte Hand wie zum Schwur. „Wenn es nicht Inken war, die den Überfall auf Breidbach und mich initiiert hat“, sprach sie dabei aus, was ihr während der ganzen Fahrt über die Autobahn durch den Kopf gegangen war, „wer könnte es dann gewesen sein?“
Vonhoff zögerte, ehe er sagte: „Das wissen wir nicht mit absoluter Sicherheit. Die Spurensicherung hat allerdings einige sehr interessante Entdeckungen gemacht. Feststeht, dass der junge Metin Ünal etwas mit dem Haus der Familie Beer zu tun hatte. Es gibt in mehreren Räumen Fingerabdrücke von ihm. Allerdings ist er nicht hier umgebracht worden.“
„Eben“, nickte Annelie. „Aber auch nicht im Park, wo man ihn fand. Irgendwo dazwischen muss es passiert sein.“
„Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht, wie?“
Annelie mochte sich über dieses Kompliment nicht freuen. Stattdessen biss sie sich immer wieder in die Fingerknöchel ihrer rechten Hand. „Gehen Sie jetzt ´rüber?“, drängte sie ungeduldig. „Wenn Lena mit dem Mörder des Jungen alleine da drinnen ist…“
„Das bleibt abzuwarten“, brummte Vonhoff.
In einiger Entfernung leuchtete einmal ganz kurz ein Licht auf. „Sie bleiben hier“, befahl der Kommissar noch einmal mit Nachdruck. „Sie haben da nichts zu suchen.“
„Aber mein Kind…“
„Sie bleiben hier“, wiederholte er rigoros. „Wir können Sie da drüben nicht gebrauchen.“
In Lenas Kopf hämmerte der Schmerz, ihre Augen brannten, während das, was sie von sich gegeben hatte, direkt vor ihren Füßen auf dem Teppich lag und einen ekelhaften Geruch verbreitete.
Sie war so unsagbar alleine.
Jedes Mal, wenn sie das dachte, überspülte sie eine weitere riesige Welle von Angst und Entsetzen, die ihr den Atem nahm und ihren Herzschlag stolpern ließ.
Axel schien in seinem Sessel eingeschlafen zu sein. Nun, da alles ausgesprochen war und nichts mehr zu sagen gab, war er restlos
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