Mordskerle (German Edition)
Moment eine Überraschung.
Die Terrassentür wurde fast geräuschlos aufgeschoben. Dann sagte eine liebenswürdige Stimme: „Schau an. Lena. Man trifft sich wirklich immer zweimal im Leben, nicht wahr? Freut mich sehr, dich wieder zu sehen.“
Es war nicht Inken. Es war Axel.
Eigentlich hatte sich Lena nie für einen Menschen gehalten, der leicht aus der Fassung geriet, doch als sie dem jungen Mann so gänzlich unerwartet gegenüber stand, erschrak sie. Unwillkürlich wich sie zurück.
Axel erwies sich erneut als Mann von bestechender Liebendwürdigkeit. Er kam zu Lena und griff nach ihrer Hand, in deren Innenfläche er einen Kuss hauchte. Lena sagte indes mit leicht zitternder Stimme:
„Axel? Aber wieso? Ich war eigentlich mit Inken verabredet – dachte ich.“
„Ich weiß, meine Liebe, ich weiß. Aber es kommt ja immer anders im Leben. Inkens Termine ließen es einfach nicht zu, nach dem Geschäftsessen in Travemünde noch herüber zu kommen.“
„Ach?“ Lena hatte sich nun gefasst. „Das ist schade. Sie arbeitet viel zuviel.“
„Wem sagst du das?“, seufzte der junge Mann. Er schwieg einen kurzen Moment, und als er dann weiter sprach, klang seine Stimme verändert. Eine gewisse Härte lag jetzt darin, eine Härte, die Lena auch in seinen Augen erkannte und seltsamerweise besser zu ihm passte als seine dauernde Freundlichkeit.
„Sie hatte zum Essen zuviel getrunken. Sie neigt seit einiger Zeit dazu, weißt du? Sie kam nach Hause und fiel ins Bett. Alles, was sie noch sagte, war, dass ich die Verabredung mit dir hier wahrnehmen soll. Damit war ich natürlich sofort einverstanden. Um was geht es denn, Lena?“
„Wir müssen etwas klären, Axel“, antwortete Lena hastig. „Die Sache muss endlich mal ausgesprochen und damit abgeschlossen werden.“
„Was heißt das? Welche Sache?“
„Das heißt, dass wir… dass ich… also, dass Inken und Max Breidbach vor Jahren einmal…“
„Ach mein Gott, Lena, jetzt komm mir doch nicht mit dieser alten Geschichte“, unterbrach Axel sie da mit einem kleinen, amüsierten Lachen, während er sie gleichzeitig mit einer einladenden Geste ins Haus eintreten ließ, um die Terrassentür dann hinter ihr zuzuschieben.
Dort lehnte er lässig, während er sich eine Zigarette anzündete. Den ersten, tiefen Zug inhalierte er restlos entspannt, ja, genüsslich, gleichzeitig hatte Lena mit einem Mal die unangenehme Erkenntnis, dass er ihr so, wie er dort stand, den Weg nach draußen versperrte.
„Du weißt Bescheid?“, fragte sie rau.
Der junge Mann lachte schallend. Ja, er lachte Lena aus, und wenn sie auch auf alles gefasst gewesen war, auf dieses Lachen ganz sicher nicht.
„Du findest das lustig?“ Sie sah Axel ungläubig an. „Inken muss den Verstand verloren haben. Sie weiß offensichtlich nicht, was sie tut. Wenn die Sache heraus kommt, ist sie erledigt, weil dann…“
Axel hörte ihr geduldig zu, betrachtete erst sie, dann den schwelenden Rauch seiner Zigarette und schüttelte die ganze Zeit belustigt den Kopf. „Du irrst dich, Lena. Inken weiß immer, was sie tut. Sie will Max Breidbach wegwischen wie einen hässlichen Fleck Fliegendreck. Das finde ich beeindruckend. Nur, wie sie es anstellt, irritiert mich. So kann es natürlich nicht klappen.“
Lenas Gesicht zerfiel innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde. Auf diese Antwort war sie nicht gefasst gewesen – noch viel weniger als auf den Empfang durch Axel. Es verstörte sie geradezu, den jungen Mann so gelassen und überlegen zu erleben. Sie hätte erwartet, er würde betroffen, bekümmert reagieren, weil er sich von Inken hintergangen fühlte, und für diese Situation hätte sie genau gewusst, was sie sagen musste.
Aber so? Und während verwirrende und beängstigende Gedankenfetzen durch ihren Kopf jagten, ruhte Axels Blick die ganze Zeit auf ihr.
„Ich glaube allmählich, du hast nicht die geringste Ahnung, was los ist, Lena“, erkannte er, verließ seinen Platz an der Terrassentür und kam auf Lena zu.
So standen sie sich dann gegenüber. Eine junge Frau und ein junger Mann, beinahe gleichaltrig. Zwei, die nie etwas in ihrem Leben hatten entbehren müssen, weil beide mit dem oft zitierten „goldenen Löffel“ im Mund zur Welt gekommen waren.
Lena war erheblich kleiner als Axel, und er war wiederum viel blonder und schöner als sie. Schön und von einer Eleganz, die einen Mann auszeichnete, der zu leben verstand.
„Was ist denn los?“, fragte sie schließlich in die Stille
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