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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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dritten Mal, genauer gesagt, den Satz: Zum fraglichen Zeitpunkt, am Morgen des 14. Oktober, arbeitete der Mann in einem Garten in der Ziegeleisiedlung.
    Befriedigt, weil sie seit gestern wußte, in wessen Garten der Mann gearbeitet hatte – ihre Cousine Erna Schlich wohnte in der Ziegeleisiedlung, und die wiederum erfuhr alles Wissenswerte von ihrer Nachbarin, einer gewissen Brettschneider –, verärgert, weil die Zeitung diesen Namen verschwieg. »Die Nickel«, murmelte sie vor sich hin, denn noch war sie allein, »der wird ihre Arroganz noch vergehen.« Sie rollte mit ihrem Bürostuhl zum Aktenschrank und griff sich den Ordner. Sie brauchte nicht danach zu suchen, sie wußte, er stand zwischen »Netter« und »Niederhofer«. Isolde Schönhaar, das Sprichwort »nomen est omen« wurde durch ihre fedrige, schlammfarbene Haartracht auf geradezu zynische Weise widerlegt, blätterte in den Gerichtsakten, obwohl sie deren Inhalt ziemlich gut kannte: Paula Matt, ledige Nickel, geboren am 13. Oktober 1954 in Berlin, Beruf Journalistin, heiratete im April 1990, kurz vor der Geburt ihres Sohnes Simon, den Kindsvater und Lebensgefährten Klaus Matt.
    »Die Beziehung befand sich bereits vor der Geburt des gemeinsamen Kindes in einem fortgeschrittenen Stadium der Entfremdung, so daß der Zerrüttungsprozeß dadurch lediglich hinausgezögert wurde. Das Paar trennt sich in gegenseitigem Einvernehmen usw. …«, lautete die Erklärung des gemeinsamen Anwalts. Schließlich, nach längerer Trennungszeit, die Scheidung vor einem halben Jahr. Allerdings ging es da nicht mehr ganz so einvernehmlich zu. Der Vater, Anwalt für Wirtschaftsrecht, klagte entgegen der Absprache das Sorgerecht für den Sohn ein. Grund: Der »labile seelische Zustand« der Mutter, Verdacht auf Schizophrenie. Seine Ehefrau würde schlafwandeln und dabei auch vor Gewalttätigkeiten nicht zurückschrecken, an welche sie im Wachzustand keinerlei Erinnerung hätte. So hätte sie beispielsweise eines Nachts ihren Gatten mit einem metallenen Gegenstand attackiert und wie mit einem Messer auf ihn eingestochen. Daß der Gegenstand lediglich ein silberner Schuhlöffel war, bezeichneten der Vater und sein Anwalt als »puren Zufall«.
    Die Nickel hatte inzwischen eine eigene Anwältin, und die legte dem Gericht das Gutachten einer recht namhaften Psychologin vor: Das Schlafwandeln ihrer Klientin sei ein Verhalten, welches nur bei extremen seelischen Belastungen, wie zum Beispiel einer Trennung, auftrete. Im übrigen sei Schlafwandeln ein weit verbreitetes und absolut harmloses Volksleiden, welches vorwiegend bei Frauen in Krisensituationen auftritt und sogar bei einem Drittel aller Mädchen in der Pubertät. Paula Nickel habe sich inzwischen freiwillig in ambulante psychotherapeutische Behandlung begeben und sei erfolgreich therapiert worden. Frau Dr. Ulrike Seiber-Koch entließ ihre Klientin als eine absolut gesunde, fest im Leben stehende junge Frau und Mutter, der die Erziehung ihres Sohnes ohne weiteres anvertraut werden könne. Ein schizophrenes Verhalten sei bei ihr niemals aufgetreten und auch in Zukunft nicht zu befürchten.
    Der Familienrichter schloß sich dieser Meinung an, das Sorgerecht ging an Paula Matt, die sich jetzt wieder Nickel nannte. Sie verzichtete auf Unterhalt von ihrem Exmann für sich selbst, erhielt lediglich einen Betrag von achthundert Mark monatlich für das Kind. Der Vater verzichtete auf sein Besuchsrecht mit dem Argument, er wolle kein Alle-zwei-Wochen-Geschenk-Onkel sein. Paula Nickel bewohnte weiterhin mietfrei das Haus ihrer Tante und Pflegemutter Elisabeth Lévidat, geborene Schimmel, die vermutlich auch das psychologische Gefälligkeitsgutachten bezahlt hatte.
    Entgegen dem ersten Anschein sorgte sich der Vater aber dennoch um seinen Sohn. Vor kurzem hatte er Isolde Schönhaar persönlich gebeten, doch hin und wieder unangemeldet nach dem Wohlbefinden seines Kindes zu sehen. Frau Schönhaar war der dringenden Bitte dieses charmanten Mannes bereitwillig nachgekommen, denn Frauen wie Paula Nickel waren ihr gehörig zuwider und konnten sich ihrer bevorzugten Aufmerksamkeit sicher sein.
    Bei ihrem ersten Besuch, in diesem Sommer, hatte sie das Haus zum ersten Mal von innen gesehen. Nein, das war kein Haus, das war eine Villa, ein kleiner Palast mit luftigen, großzügigen Räumen, die trotz der Renovierung, oder gerade deswegen, noch immer den Charme des vorigen Jahrhunderts ausstrahlten. Dazu ein Garten, der schon eher ein Park

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