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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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dann?«
    Paula zögerte. »Na ja. Ich konnte Max auch nicht länger ertragen. Ich fing allmählich auch an, Ausreden zu erfinden. Ich gebe zu, ich mochte ihn nicht mehr gerne bei mir haben. Er war einfach zu zerstörerisch. Ich hatte Angst, daß er mir Simon verdirbt.«
    Jäckle nickte bedächtig.
    »Wer weiß«, sagte Paula und hob die Hände in Richtung Decke, »vielleicht hatte Max in dieser Nacht einen seiner schrecklichen Tobsuchtsanfälle. Vielleicht war Doris einfach zu müde, um das schon wieder zu ertragen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie Max sich aufführen konnte, niemand kann das. Der reinste Veitstanz, das hatte manchmal nichts Menschliches mehr. Vielleicht hat sie ihn geschlagen, und er ist gestürzt oder so etwas.« Sie sah Jäckle mit großen Augen an, hoffte auf einen Funken Verständnis.
    Er räusperte sich. »Möglich. So was kommt vor. Hat sie ihn denn sonst mal geschlagen?«
    »Nicht daß ich wüßte. Nein, ich glaube nicht. Sie sagte immer, durch Schlagen würde nur alles schlimmer. Sie besaß wirklich eine bewundernswerte Geduld. Das einzige, was man Doris vorwerfen kann, ist, daß sie die Wahrheit nicht sehen wollte. Als ich ihr einmal vorschlug, mit ihm zu einem Kinderpsychologen zu gehen, war sie stinkbeleidigt.«
    »Ja«, sagte Jäckle und trank einen Schluck, »so schätze ich sie ein.«
    »Nehmen wir mal an, sie war’s. Es ist einfach passiert. Warum muß so eine Frau eingesperrt werden?«
    »Wie bitte?«
    »Kannst du mir sagen, wer was davon hat? Das Kind wird nicht wieder lebendig, eine Wiederholungsgefahr besteht auch nicht, und das, was man Resozialisierung nennt, das findet bei Doris gerade jetzt statt. Sie wird wieder eingeladen, sie geht wieder zu Festen, Leute besuchen sie …«
    Jäckle lachte. »Ich ahnte es schon immer, daß in dir eine Anarchistin steckt.«
    »Das meine ich ernst.«
    »Was soll ich deiner Meinung nach tun? Zulassen, daß jeder sein Kind umbringt, nur weil es nicht so geraten ist wie die im Werbefernsehen?«
    Paula antwortete nicht. Was hast du erwartet, fragte sie sich. Daß er sagt, ›okay, liebe Paula, weil du’s bist, lasse ich die Sache auf sich beruhen: du hast völlig recht, Max war ein Berserker und gehörte weg vom Fenster‹? Jäckle mochte ja ein verständnisvoller Mensch sein, aber er war in erster Linie Kriminaler. Was würde er tun, wenn er rausfindet …?
    »Paula« seufzte Jäckle, »ich kann die Frau ja verstehen, bis zu einem gewissen Grad jedenfalls. Aber ich kann das nicht einfach ignorieren.«
    Paula fand, daß damit alles gesagt war, und wechselte ziemlich abrupt das Thema: »Wißt ihr inzwischen wenigstens, wer den Bauwagen angezündet hat?« fragte sie angriffslustig.
    Jäckle zuckte die Achseln. »Nein. Die Damen vom Kindergarten halten eisern an ihrer Aussage fest, daß sie beten waren.«
    »Du glaubst doch diesen Quatsch nicht!« entrüstete sich Paula. »Klar waren die beten. Und danach haben sie ihm die Bude angezündet. Der reinste Ku-Klux-Klan ist das.«
    »Beweise es«, sagte Jäckle, und Paula warf ihm einen wütenden Blick zu.
    »Es waren die Betweiber. Jede Wette!« beharrte Paula. Zu gerne hätte sie die Brettschneider und ihr Gefolge ein paar Tage in Untersuchungshaft gesehen.
    »Das einzig Positive an der Sache«, Jäckle grinste bei dieser Vorstellung, »ist, daß wir diese vier Kahlköpfe, die sich in letzter Zeit immer auf dem Marktplatz rumgetrieben und Häuserwände beschmiert haben, für zwei Tage in U-Haft genommen haben. Motiv: Ausländerfeindlichkeit. Und stell dir vor, gestern habe ich sie gesehen, da waren sie richtig adrett gekleidet, und die Haare sprießen auch schon wieder, wie frischer Schnittlauch.«
    Paula lächelte ebenfalls.
    »Apropos Haare«, sagte Jäckle. »Dieser Silvano. Kommt man bei dem spontan dran, oder muß man sich anmelden?«
    »Bei ihm selber muß man sich wochenlang vorher … Jäckle! Du denkst doch nicht etwa …«
    »Doch, genau das denke ich.«
    An diesem Abend gab es für Bruno Jäckle keinen Kuß zum Abschied.
    Die Verabschiedung von Doris hingegen, am nächsten Tag, fiel unbefangener aus, als Paula befürchtet hatte. Doris schien sich mit den Tatsachen abgefunden zu haben und war in gnädiger Stimmung. Sie wünschte ihnen das Übliche. Einzig verwunderlich fand Paula, daß sie Simon kein Geschenk mit auf den Weg gab. Aber vielleicht würde sie das bei ihrer Rückkehr nachholen. Das war sicher vernünftiger, als das Kind an einem einzigen Abend mit Spielzeug zuzuschütten.

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