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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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in Luft auf oder stand plötzlich mit hämischem Grinsen in der Tür des Requisitenraums, worauf sie für ein paar glückliche, halbwache Momente erleichtert war, um dann beim endgültigen Erwachen der Wahrheit von neuem in ihr häßliches Gesicht sehen zu müssen.
    Tagsüber erwartete sie jeden Moment, Jäckle mit betretener Miene vor der Tür stehen zu sehen, nachts trat er im blauen Drillich als Stromableser in ihren Träumen auf: »Sie haben nicht bezahlt, ich muß jetzt in Ihren Keller, den Strom abstellen …« Was für ein hanebüchener Blödsinn!
    Sie verwarf ihre guten Vorsätze, was Simon anbetraf, und ließ ihn am Sonntag mit Doris zum Skilift fahren, zum Üben. Sie verspürte ein dringendes Bedürfnis nach Ruhe. Ruhe und Zeit, zum Nachdenken, wie es zu all dem hatte kommen können. Immer wieder sah sie den leblosen ausgestreckten Körper vor sich, wie er halb unter dem Tisch lag, den Kopf in einer Blutlache. Wie hatte das passieren können? War ein Mensch so leicht zu töten? ›Dein Jähzorn wird dich noch mal ins Verderben stürzen‹, hörte sie ihre Mutter sagen, ›genau wie deinen Vater.‹ Bilder stiegen aus längst verschüttet geglaubten Tiefen auf ihre Mutter, die wimmernd wie eine Katze unter dem billigen Küchentisch saß, das Gesicht zwischen den Knien verborgen, ihr Vater, der schwer atmend am Spültisch stand und sich die Hände wusch, mit Kernseife, die rot schäumte, wieder ihr Vater, wie er zwischen zwei Männern davonging, sie sahen wie Müllmänner aus und brachten ihn zu einem großen, weißen Wagen. War das alles einmal passiert, oder waren es Fragmente ihrer Alpträume, die sich in die Gegenwart verirrt hatten?
    Das wenige, was sie aß, behielt sie nicht lange bei sich. Sie erwog, Lilli anzurufen, sich auszusprechen, um ihren Rat zu bitten. Aber beim letzten Besuch war sie so fremd, so seltsam unbeteiligt gewesen, als sei sie nur mit sich selber beschäftigt. Ein ungewöhnliches Verhalten, das Paula nicht an ihr kannte und sie zusätzlich verwirrte.
    Den ganzen Sonntagnachmittag verbrachte sie reglos im Sessel sitzend. Sie betrachtete die Rücken der ledergebundenen Bücher in dem antiken Regal, deren gedeckte Farben mit dem warmen Ton des Holzes harmonierten. Blaßgolden waren die Titel eingestanzt: die Buddenbrooks , Dostojewskis Spieler , ein uralter Duden , eine Enzyklopädie, ein Band von Baudelaire, eine alte Goethe-Ausgabe. Wie so oft übte der Anblick dieser soliden, beinahe unvergänglichen Dinge eine entspannende Wirkung auf sie aus. Es würde schon alles gutgehen. Es gab keine Zeugen, nur sie und Doris. Doris hatte ihr nicht verraten, was aus Vitos Leiche geworden war. »Je weniger du weißt, desto besser.« Sie erwähnte nur, daß sie sein Auto ganz normal in der Tiefgarage auf seinem Parkplatz abgestellt hätte. Vito besaß ein Apartment in einer dieser modernen Wohnanlagen, in denen sich kaum einer um seinen Nachbarn kümmerte. Je länger die Leiche verborgen bleibt, desto größer wird die Chance, daß niemand sein Verschwinden mit dem Streit in Zusammenhang bringt, überlegte Paula, und weiter: Hoffentlich hat er einen Dauerauftrag für Miete und Strom, hoffentlich hatte er genug Geld auf seinem Konto. Aber selbst wenn nicht, es dauerte sicher einige Wochen, ehe die Bank Alarm schlägt. Man muß einfach nur abwarten, sagte sie sich. Je älter eine Leiche, desto schwieriger läßt sich ein genaues Todesdatum feststellen. Doris hatte vollkommen recht, mit jedem Tag wurde ihr Risiko geringer.
    Doris. Warum tat sie das alles für sie? Beging Straftaten, brachte sich und ihren untadeligen Ruf in Gefahr? Wofür? Was würde sie von ihr verlangen?
    Die Antwort, die Paula im Innersten längst kannte, bekam sie am Montagmorgen. Es klingelte. Zweimal kurz. Sie stand vor der Tür, mit einer Tüte vom Bäcker auf dem Arm, und sagte im Hereinkommen: »Ich dachte mir, ich hole Simon doch wieder morgens ab. Es wäre schön, wenn auch sonst alles beim alten bliebe.«
    Paula setzte Teewasser auf und sagte nichts. Der Krieg hatte begonnen.
    »Ich kann nicht mitkommen!«
    »Du mußt! Es würde auffallen.« Paula wußte, daß Doris recht hatte, so, wie sie in letzter Zeit immer recht hatte.
    »Ich kann doch sagen, ich hätte keinen Babysitter.«
    »Nicht dieses Mal.« Sie standen in Doris’ Wohnzimmer mit dem hellen Schafwollteppich auf dem Parkettboden und den massiven Schwedenmöbeln mit den kindgerecht abgerundeten Kanten. Die würden der Schönhaar bestimmt besser gefallen, dachte

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