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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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Schnabel auf Ast, Ast auf Hintern, Hintern auf dem Waldboden. Die Füße von mir gestreckt, sitze ich da wie ein aus dem Nest gefallenes Küken und lasse die Flügel hängen.
    Mann, war das ein Stunt – wenn Sie einen Filmvertrag für mich haben, wenden Sie sich bitte an Balthasar, meinen Manager. Der ist aber wahrscheinlich längst wieder ins Hörnumer Hauptquartier geflogen und präsentiert dort stolz einen Schatz, mit dem wir nichts anfangen können. Langsam sollte ich auch mal zusehen, dass ich nach Hause komme.
    Wo bin ich überhaupt? Warum kommt mir dieser Wald so unbekannt vor, wo ich doch sonst jedes Nestversteck kenne? Allmählich dämmert es mir. Okay, dämmern ist vielleicht etwas zu weit gegriffen. Es ist mehr so, als ob ich hinter einem Nebelschleier etwas erahne, und das, was sich da in meiner Erinnerung regt, gefällt mir gar nicht.
    Ich befinde mich in einem Wald, über den man sich selbst fernab von Sylt Schauergeschichten erzählt. Auch ich habe meine Möwenkinder davor gewarnt, diesen gefährlichen Ort nördlich von Kampen jemals zu betreten. Ein Ort, der den vermeintlich anheimelnden Namen »Vogelkoje« trägt.
    Irgendwo inmitten dieses dichten Waldes liegt ein kleiner, idyllischer See, der aus der Luft gut zu sehen ist und ein verlockender Landeplatz zu sein scheint. Lässt man sich aber erst mal auf dem Wasser nieder, ist man quasi schon erledigt. Hier werden Enten mit gestutzten Flügeln als Gefangene gehalten. Man kann sie nicht sehen, schwimmt jedoch ihren süßlichen Lockrufen nach. Es ist unmöglich zu widerstehen, sie versprechen einem das Paradies, und man merkt gar nicht, wie man in einen immer schmaler werdenden Kanal gerät und schließlich ein Netz über sich hat. Am Ende einer solchen Fangpfeife steht ein grimmiger Mensch mit Mütze, Vollbart und kräftigen Händen. Am Geruch konnte man ihn nicht bemerken, denn er hüllt sich in den Rauch eines ständig brennenden Torfkohlebeckens ein. Dieser Kojenwärter packt einen erbarmungslos am Kragen, und noch ehe man schreien kann, wird einem der Hals umgedreht. Angeblich haben sie es nur auf Wildenten abgesehen, aber das halte ich für ein gezielt gestreutes Gerücht. Und tatsächlich höre ich jetzt in einiger Entfernung die Hilfeschreie einer Möwe. Kläglich und geschwächt dringen die Rufe an mein Ohr. Das ist doch Balthasar? Oder nur ein Trick, um mich in die Falle zu locken? In geduckter Haltung schleiche ich mich vorwärts, den Kopf dicht über dem Boden.
    Halleluja, brummt mir der Schädel. Und zappenduster ist es außerdem. Der Wind fährt durch die Äste, es raschelt und knackt. Plötzlich ist da ein gelb leuchtendes Augenpaar, direkt vor mir.
    »Waaah«, kreische ich. Wenigstens erschrickt das Katzenvieh genau wie ich und rettet sich mit einem beherzten Sprung ins Dickicht. Wegen meines Geschreis ist nun auch die Hilfe suchende Möwe auf mich aufmerksam geworden.
    »Ahoi, bist du das?«
    Es ist wirklich Balthasars Stimme.
    »Wo bissu, wassis passiert?«, rufe ich.
    »Ich stecke in so einem blöden Netz fest und kann mich nicht selbst befreien. Hilf mir!«
    Mir läuft es eiskalt den Rücken runter. »Dassis eine Falle! Mussich Verstärkung holen. Abba wasch machen wir, wenn der Koj… der Kowä… der Kojenwärter in der Swischenseit kommt?«
    »Sag mal, hast du Federn im Schnabel?«
    »Weissich nich.«
    »Komm her und befrei mich aus diesem verdammten Netz! Es gibt keinen bösen Kojenwärter mehr, die Vogelkoje ist seit 1921 nicht mehr in Betrieb.«
    Ich zögere noch kurz. Nicht weil ich Balthasar nicht vertraue, sondern weil es so lange dauert, bis meine Promillezellen diese Info verarbeitet haben. Ich wage mich aus meiner Deckung.
    Balthasar hängt kopfüber mit den Füßen im Netz einer Fangreuse, sein Schnabel schwebt dicht über der Wasseroberfläche des Kanals.
    »Abba Ballathasa, wisso is die Falle noch da, wenndas keine Falle mehr is?« Ich gucke kritisch und bin ein bisschen stolz auf meine Logik.
    »Weil dieser Ort jetzt ein Museum für Menschen ist – deshalb ist alles noch erhalten. Sag mal, hast du zu tief ins Glas geguckt? Reiß dich zusammen und hol mich hier raus.«
    »Was machsu überhaupt da drin?«
    »Wonach sieht das aus? Bauchmuskeltraining?«
    »Ernssaft jetzt?«
    »Nein, verdammt! Ich bin doch dem Kerl auf dem Roller gefolgt. Der ist direkt zu diesem Wald gefahren und hat das Säckchen irgendwo im Schilf versteckt. Beim Suchen bin ich in diese Falle geraten.«
    »Bissu also dochnich so schlau, wie du

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