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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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jetzt nichts Verkehrtes: »Ich dachte, wir hätten die Schoko-Crêpes gestern aufgelöst?«
    »Was geht mich mein Geschwätz von gestern an? Balthasar hat im Morgengrauen ein Säckchen mit Schmuck aus dem Schilf bei der Vogelkoje gezogen. Seither ermitteln wir im Fall Knut wieder in alle Richtungen.«
    »Was soll denn bitte irgendwelcher Schmuck mit dem Tod unseres Dealers zu tun haben?« Um meinen Kreislauf auf Touren zu bringen, beginne ich mein Putzritual.
    »Wärst du heute Morgen zur Sitzung wach zu kriegen gewesen, hättest du mitbekommen, dass das nicht irgendwelcher Schmuck ist. Neben zahlreichen Ringen, Ketten und Ohrringen befand sich darunter ein aufklappbares kleines rundes Ding an einer Kette, und darin war das Bild eines Mannes. Es ist unverkennbar unser Mensch-Knut.«
    »Und wem gehört der Schmuck?«
    »Genau das versuchen wir herauszufinden. Deshalb sind die anderen auf ihren Posten und suchen nach dem Mann mit Spitzbart. Ich nehme an, der Pizzabäcker führt dich jetzt auf seine Spur. Mach schon, er steigt in sein Auto.«
    Ich bin noch nicht mal mit meiner Morgentoilette fertig, geschweige denn, dass ich meine Federn mit Drüsensekret einfetten konnte, aber ich halte es für klüger, jetzt nicht auf eine perfekt gegelte Frisur zu bestehen. »Okay, Scheff, verstanden.« Ich will gerade losfliegen, da hält Baron Silver de Luft mich unerwartet zurück.
    »Nimm die Startbahn in die andere Richtung, Ahoi. Wir haben Westwind heute.«
    Puh, das muss ich Baron Silver de Luft hoch anrechnen, dass er mir nicht die Flügel gestutzt hat, aber ich kenne ihn, das war nur vorübergehendes Mitleid, weil er mich für diesen Auftrag braucht.
    Im Blechvogelgewirr von Westerland verliere ich den unscheinbaren silberfarbenen Kleinwagen des Pizzabäckers fast aus den Augen. Aus allen Richtungen wollen sie zum Autozug. Wäre mir ja zu blöd, mich in eine Schlange einzureihen, die kilometerweit bis in die angrenzenden Ortschaften reicht, nur um mit einem der Autozüge zurück aufs Festland zu fahren. Warum bauen die Menschen eine Gleisstrecke und nicht besser eine Straße, wenn sie schon nicht fliegen können? Geht doch auf der benachbarten dänischen Insel auch. Ist wesentlich schneller und stressfreier. Aber ich habe mir von Balthasar sagen lassen, dass dieser kurze Schienenweg wohl der teuerste und damit lukrativste in ganz Deutschland ist. Diese Form der Selektion wünsche ich mir für den Luftweg auch. Heute sind wieder jede Menge Touristenmöwen unterwegs, und die schauen überall hin, nur nicht auf ihre Flugroute.
    Was bin ich froh, als ich Westerland hinter mir gelassen habe. Das Auto des Pizzabäckers im Blickfeld, geht es weiter über Wenningstedt nach Kampen. Die dunklen Wolken über dem Ort passen zu meiner bedrückten Stimmung, und ich wünsche mir, dass der Pizzabäcker in Kampen anhält. Dann könnte ich nach Suzette suchen, aller Vernunft zum Trotz. Er tut mir aber nicht den Gefallen und fährt auf der einzigen Straße weiter gen Norden. Ich breite die Schwingen aus und lasse mich schicksalsergeben vom Wind vorwärts tragen, über eine phantastische Dünenlandschaft hinweg, wie ich sie auf noch keiner meiner Zugrouten ins Winterquartier gesehen habe. Zwischen dem Dunkelgrün und dem Violett der blühenden Heide erheben sich majestätische Wanderdünen – ein riesiger Sandkasten für alle Möwenkinder, in dem es sich herrlich ungestört spielen lässt. Es scheint ein Verbot für Menschen zu geben, hier hinaufzuklettern, nur selten stapfen sie in Gruppen durch den weichen Sand, angeführt von einer Art menschlichem Balthasar. Als erwachsene Möwe kann man hier natürlich auch sehr gut gewisse andere Dinge tun, aber an diesem für mich wunden Punkt will ich nicht rühren.
    Zwischen den dunklen Wolken bricht die Sonne hervor, der helle Sand der Wanderdüne wirft ein gleißendes Licht zurück, und ich muss vor Schmerzen die Augen zusammenkneifen. Alle meine Sinne sind überempfindlich, vor allem aber rieche ich jetzt etwas. Ich rieche Austern! Eine kleine Fabrik am Straßenrand, wo die verlockende Delikatesse in riesigen Bottichen offen angeboten daliegt – und nicht wie bei den Zuchtbänken im Watt durch engmaschigen Draht vor unserem Zugriff geschützt wird. Kann es denn wahr sein, dass keine Möwenbande über dieses Paradies wacht?
    Ich weiche vom Kurs ab, gehe tiefer und fliege eine kleine Runde über das Gelände. Tatsächlich erspähe ich keinen meiner Artgenossen, auch keinen der fiesen Bodyguards

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