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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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kreischt Balthasar und entzieht sich der rektalen Untersuchung.
    Ich schüttle mich und putze mir den Schnabel im Grünstreifen. »Glaubst du, ich habe Bock auf deinen Hintern? Warum bleibst du Heini mitten auf dem Weg stehen?«
    »Weil ich den Pizzabäcker gesehen habe«, raunt Balthasar und zeigt mit dem Flügel auf die Bar im Außenbereich eines Friesenhauses. Im Vorgarten drängen sich die Menschen um einige wenige Stehtische, und inmitten der Feiernden unverkennbar Knuts Standnachbar, der Hörnumer Pizzabäcker. Unverkennbar deshalb, weil er ein Urfriese ist und mit seinen blonden kurzen Haaren und den wasserblauen Augen so gar nichts mit einem italienischstämmigen Pizzabäcker gemein hat. Jetzt ruft er eine Lokalrunde aus und winkt mit einem Bündel Scheine, damit auch der Kellner keinen Zweifel an der Zahlungskraft dieses Gastes hat.
    »Seit wann hat der denn so viele Heringe?«, fragt Balthasar.
    »Geld heißt das bei den Menschen«, kann ich mir das Klugscheißen nicht verkneifen. »Na ja, seit Knuts Tod verkauft er ziemlich viele Pizzas.«
    »Pizzen heißt das. Aber damit verdient er doch in zwei Tagen nicht so viel Geld, dass er sich das hier leisten kann. Bisher ist er nach Feierabend noch nicht mal in Hörnum ein Bier trinken gegangen.«
    »Denke schon …«, antworte ich vage. Zugegeben, ich bin nicht mehr ganz bei der Sache. Soeben führt Mogulis Suzette im Lokal gegenüber selbstsicher zwischen Menschenbeinen hindurch zur Hinterseite des Gebäudes. Dort hat er vermutlich das Möwen-Separée reserviert, und ein reich gefüllter Abfallkorb mit allerlei Delikatessen wartet auf die beiden.
    »Hast du das gesehen?«, fragt Balthasar.
    »Allerdings.« Ich seufze und bekomme Tränen in die Augen. Aber so schnell gebe ich nicht klein bei. Mission drei: Suzette zurückerobern, ist ab sofort Programm.
    »Wo geht der Typ denn jetzt mit dem Säckchen hin?«, fragt Balthasar.
    »Hä?« Ich muss mich erst mal sortieren. Natürlich ist Balthasar noch auf den Pizzabäcker fokussiert. Der verabschiedet sich gerade von einem Mann mit Spitzbart, der etwa in Knuts Alter ist.
    Balthasar flattert neben mir auf und ab. »Der Pizzabäcker hat diesem Mann ganz unauffällig ein Säckchen übergeben, und jetzt haut der damit ab!« Ich kneife die Augen zusammen. Tatsächlich ist das Säckchen in der Dunkelheit kaum zu bemerken, aber eine Möwe sieht alles.
    Der Spitzbart-Mann unterscheidet sich deutlich von den Leuten in edlem Zwirn. In Jeans-Shorts und einfachem T-Shirt tritt er im Zwielicht auf die Straße und geht zu seinem Roller.
    »Wo fährt der wohl hin?«, flüstert Balthasar. »Ich will wissen, was in dem Säckchen ist.«
    »Na, was schon? Bestimmt keine Krabben, Heringe oder Muscheln. Für uns also uninteressant.«
    »Ach komm, du hast nur noch Augen für Suzette, und deshalb ist alles andere uninteressant. Sie lebt, es geht ihr gut – damit ist unsere Mission erfüllt. Ich fliege jetzt dem Mann hinterher und erbeute dieses Säckchen. Da ist bestimmt etwas Wertvolles drin.«
    »Ja klar«, erwidere ich. »Wertvolle, aber unverdauliche Münzen. Aber gut, dann haben wir wenigstens etwas, womit wir kollektiven Selbstmord begehen können.«
    »Wenn da wirklich Münzen drin sind, können wir sie beim Fischhändler gegen Heringe eintauschen. Ich habe die Menschen beobachtet – sie machen genau diese Tauschgeschäfte damit.«
    »Aber doch nicht mit Möwen !«
    »Du wirst schon sehen. Ich bin in spätestens einer Stunde wieder hier. Du kannst ja solange versuchen, Suzette zurückzuerobern.«
    Eine Stunde und hundert verworfene Balzideen später stürze ich mich in das erste Whiskeyglas, um meinen Weltschmerz zu ertränken. Nach zwei Stunden sind sechs weitere Gläser von den Tischen geflogen, und fünf Minuten später fliege ich aus dem Lokal. Per Fußtritt. Fragen Sie mich nicht, aus welchem Lokal – und vor allem nicht, wo genau ich jetzt bin. Am besten nicht einmal, wer ich bin.
    Etwas in meinem vernebelten Hirn regt sich. »Bala … Balata … Blathasaaaa …«, rufe ich. Verdammt, warum antwortet der Kerl nicht? Ich hab jetzt keinen Bock auf Versteckspiel. Damit ich einen Überblick über die Whiskeymeile bekomme, erhebe ich mich torkelnd in den nachtschwarzen Himmel. Alter Falter, denke ich, jetzt weiß ich, warum Alki solche Probleme beim Fliegen hat. Mein Höhenmesser in der Schwanzfeder zeigt plötzlich nur noch Hausnummern an, und die vielen ungewöhnlich schwankenden Lichter unter mir sind unendlich weit

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