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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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von Mogulis – wäre ja möglich, dass ihm auch diese Fabrik hier gehört.
    Zwischen Pflicht- und Hungergefühl hin- und hergerissen, schaue ich dem kleiner werdenden Auto des Pizzabäckers nach. Aber wohin anders soll er schon fahren, als nach List? Da ist Ende Gelände. Der nördlichste Punkt Deutschlands. Und bis er einen Parkplatz gefunden hat, habe ich mein Festmahl längst genossen. Ich checke noch einmal die Lage.
    Tatsächlich, keine einzige Möwe weit und breit, nicht mal ein Mensch ist außerhalb des Gebäudes zu sehen. Ich verschwende noch einen kurzen Gedanken an unseren Scheff und vor allem daran, dass ich diesen Observationsauftrag nicht in den Sand setzen sollte, wenn ich meine Fluglizenz behalten will – dann aber siegt mein Beutetrieb über jegliche Vernunft.
    Hals lang machen, Flügel einklappen und ab in den Sturzflug. Das Paradies kommt näher, Stück für Stück.
    Whumm.
    Verdammt, warum muss sich Paradies immer so scheiße anfühlen? Und wer, verflucht, hat diese Plexiglasscheiben über die Bottiche gelegt? Ohne schwarze Raubvögel als Warnung, wie das normalerweise an jeder gefährlichen Glasscheibe üblich ist? Ich werde mich bei der Möwenrechtskommission beschweren!
    Sie schmunzeln? Sie haben dieses Missgeschick geahnt? Und trotzdem haben Sie mich nicht gewarnt? Na warten Sie nur, bis ich Sie irgendwo mit diesem Buch in der Hand erwische. Dann werde ich Ihnen ordentlich die Meinung kreischen.
    Mit einem wehmütigen letzten Blick auf die Austern in den unsichtbar verschlossenen Bottichen erhebe ich mich in die Luft und habe nach wenigen Flügelschlägen den Hafen erreicht. Oha, da stehen aber viele silberfarbene Kleinwagen auf dem riesigen Parkplatz, an dessen Ende die Vergnügungsmeile beginnt. War vielleicht doch keine ganz so gute Idee, den Pizzabäcker aus den Augen zu lassen.
    Hier herrscht vielleicht ein Trubel! In den Hafen passen zwar nicht mehr Schiffe als in das Hörnumer Planschbecken, aber auf der Fläche ringsherum geht es zu wie auf einer Kirmes. Es gibt ein Karussell, einen Spielplatz und vor allem eines: Fressbuden. Mit riesigen Schildern und farbenfrohen Anstrichen ringen sie um Aufmerksamkeit. Die Bretterkulisse mit der roten Aufschrift und dem Hummersymbol, die am nördlichsten Ende des Hafens steht, ist schon allein der Größe wegen ein wahrer Fresstempel. Alki hat mir mal erzählt, dass sein Großvater dieses Riesending schon kannte, als der Tempel noch eine einfache Fischbude war, in der es vor allem Aal zu erbeuten gab. Und ein unscheinbares Gebräu in einem Schälchen, das sich »Wahre Fischsuppe« nannte, aber selbst eine Möwe von Alkis Kaliber umhaute.
    Von Alkohol will ich nichts mehr wissen. Ich wittere viel bessere Beute. Geschälte Krabben in Knoblauch, Flusskrebse und Lachsbrötchen mit Honig-Senfsauce. Dagegen bietet Kampen nur eine erlesene Vorspeise. Hier gibt es alles in Massen, auch die Menschen, die aus meiner Perspektive wie bunte Enten umherwatscheln und sich laut schnatternd darüber unterhalten, in welche der Fressbuden sie als Erstes gehen sollen. So viele Kinder, wie hier als Lockvögel ihrer Eltern fungieren, sieht man selten auf einem Haufen, und ich schließe daraus, dass alles bezahlbar ist. Mich jedoch interessiert vor allem eines: Wie komme ich an die Beute?
    Such den Pizzabäcker, raunt mir das Engelchen auf meinem linken Flügel zu und zieht mich in einer Windböe in Richtung des großen Parkplatzes. Komm zurück ins Paradies, lockt das Teufelchen auf dem rechten Flügel. Paradies ist Scheiße, sei vernünftig, meutert das Engelchen. Von Vernunft kannst du dich nicht ernähren, entgegnet das Teufelchen und hat so verdammt recht damit. Natürlich käme es einem Selbstmord gleich, sich in dieses Revier einzumischen, allerdings wäre ich nicht der beste Späher auf der Insel, wenn ich jetzt nicht an der Hinterwand einer Imbissbude, die zum Hafen zeigt, etwas entdeckt hätte, was den Möwen, die hier herrschen, als Grenzverletzung nicht weiter auffallen dürfte. Ein Mann in Dreiviertelhose und abgetragenen Lederschlappen kauert zum Schutz vor der Entdeckung durch unsereins unter dem Dachvorsprung und pult Krabben. Einen ganzen Eimer voller Krabben. Mir läuft das Wasser im Schnabel zusammen. Aufgrund des überstehenden Daches ist die Beute tatsächlich nicht im Sturzflug zu kriegen. Also ist Bodenoffensive angesagt.
    Ich lande und watschle auf dem schmalen Weg zwischen Hafenbecken und Häuserwand unauffällig näher. Angelegentlich

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