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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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vor Anker, da werde ich mich beim Kapitän um die Stelle als Schiffsbegleiter bewerben. Die suchen immer Möwen für ihre weltweiten Touren, habe ich gehört. Bei meinem Aussehen müssen die mich nehmen.«
    »Du willst Model werden? Jonathan, vergiss es. Das wollen viele, aber nur die wenigsten können sich davon ernähren. Schlag dir die Idee aus dem Kopf und komm mit.«
    »Nach Hause? Zurück auf das Dach des Crêpes-Standes und hoffen, dass wir unser kriminelles Leben eines Tages weiterführen können? Nein.«
    Vor Erstaunen vergesse ich, mit den Flügeln zu schlagen. »Du lässt uns im Stich? Willst du nicht wissen, was mit Knut passiert ist? Und wenn du auf weltweite Tour gehst, wird es für dich noch viel schwerer werden, endlich ein Möwenweibchen zu finden.«
    Jonathan schüttelt den Kopf. »Ich dachte immer, irgendetwas an mir wäre falsch, weil ich keinen Balz- oder Nestbautrieb habe – aber ich bin eben einfach anders. Und auf meiner Weltreise werde ich ein Land finden, in dem man mich so akzeptiert, wie ich bin.« Jonathan nimmt seine Bezahlung entgegen und verabschiedet sich mit dem Hering im Schnabel in den Segelflug. Er streckt die Flügel in elegantem Aufwärtsbogen weit aus und schwebt anmutig über den Hafen auf die »Gret Palucca« mit dem tiefschwarzen Rumpf zu.
    Also ist es doch wahr, denke ich, Jonathan ist vom anderen Ufer – das Schlimme allerdings ist, dass er seine Bande im Stich lässt.
    Wissen Sie übrigens, was passiert, wenn man bei Windstille vergisst, mit den Flügeln zu schlagen?
    Hektisch schaue ich mich um, ob den Bauchplatscher im Hafenbecken auch keine andere Möwe gesehen hat. Peinlich, das passiert sonst nur einer Jungmöwe bei ihren ersten Flugstunden. Angelegentlich lasse ich mich im leichten Wellenschlag des Hafenbeckens treiben, aber das tut meinem Magen gar nicht gut.
    Puh, selbst als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, ist mir noch ganz blümerant. Ich muss dringend was essen, sonst macht mein Kreislauf nicht mehr mit.
    Der Mann mit den Krabben sitzt immer noch in gekauerter Haltung da und pult im Rekordtempo die Schale von den kleinen Tierchen. Das macht er sicher nicht erst seit gestern. An irgendwen erinnert mich der Kerl mit dem Spitzbart, nur an wen? Spitzbart. Ich bleibe abrupt stehen. Das ist der Mann von gestern Nacht, der in der Kampener Bar das Säckchen mit dem Schmuck vom Pizzabäcker entgegengenommen hat. Er schaut auf und streckt die Hand aus. »Na komm schon, ich tu dir nix. Komm, happi happi.« Der Kerl sieht eigentlich ganz nett aus.
    Brauche ich die Einladung noch schriftlich? Ich hüpfe mutig voran. Näher, immer näher komme ich der ausgestreckten Hand. Ich mache meinen Schnabel auf, weit auf. Eine riesige Ladung Krabben landet in meinem Schlund. Doch noch bevor ich schlucken kann, ertönt direkt neben mir eine tiefe Männerstimme.
    »Weg da, du Drecksmöwe!« Mich trifft ein gewaltiger Fußtritt. In hohem Bogen werde ich durch die Luft geschleudert und falle wie ein Stein ins Wasser. Wäre ich stattdessen auf eines der Schiffsdecks geknallt, wäre mein Leben jetzt vorbei. Ich tauche auf, will schreien und verschlucke mich dabei derart an den Krabben, dass ich alle wieder rauswürge.
    »Mensch, Fietje, hast du gesehen, wie ich das Vieh durch die Luft katapultiert habe?« Die Stimme gehört dem Pizzabäcker aus Hörnum.
    »Aber ich habe sie angelockt. Gutes Teamwork«, ruft Fietje, der mit dem Spitzbart.
    »Muss ein ganz schön blödes Möwenexemplar sein. Die lassen sich doch sonst nicht so leicht übertölpeln«, grient der Pizzabäcker.
    »Aber astreine Flugeigenschaften hat sie, das muss man ihr lassen.«
    Beide schütten sich über den Witz schier aus vor Lachen und achten nicht weiter auf mich. Mein Brustkorb tut mir weh, noch mehr aber schmerzt es mich, dass sie mich für dumm halten. Und dieser Schmerz wandelt sich in Wut, als Fietje den Eimer voller Krabbenschalen jetzt zurück ins Meer kippt. So schnell kann ich gar nicht schauen, wie sich eine Horde meiner Artgenossen über die Beute hermacht. Sie kommen von überall her, als hätten sie nur darauf gelauert. Ich fliege auf das Dach der grünen Imbissbude, halte mich an der Regenrinne fest und bringe mein Hinterteil über den beiden in Position.
    »Drecksvieh!«
    »So eine Sauerei.«
    Mit fahrigen Bewegungen suchen die beiden nach Taschentüchern, und ich gackere vor Vergnügen, weil ich weiß, wie beschissen sie sich jetzt fühlen. Es dauert eine ganz Weile, bis sie einsehen,

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