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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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uns. Mir wird klar, dass gleichzeitig mit der Türklingel dieses verfluchte Handy unter Balthasars Flügel losgegangen ist.
    »Mach endlich, dass dieses blöde Ding zu bimmeln aufhört«, keife ich. »Der guckt schon ganz komisch.«
    Da macht Knuts Mutter die Tür auf.
    »Fietje, wie nett, das ist ja eine Überraschung.« Sie geht im Hausmantel auf ihn zu und gibt ihm die Hand. Oder besser: die Pranke. Eine arme, alte Frau sieht definitiv anders aus. Man hat den Eindruck, ein mit bunten Blümchen bemalter Bauernschrank würde auf Fietje-Spitzbart zutreten. Letzterer ist von Knuts Mutter so ziemlich genau die halbe Portion.
    »Guten Tag, Frau Johannsen. Ich freue mich auch, Sie zu sehen.«
    »Was gibt es denn, Fietje? Das ist ja wie in früheren Zeiten, als du nach der Schule vor der Tür standest und mit Knut spielen wolltest. Nur jetzt … ist mein Sohn nicht mehr da.« Sie holt ein Taschentuch aus ihrem geblümten Hausmantel. »Entschuldige meinen Aufzug, ich habe heute gar keinen Besuch mehr erwartet.«
    Also wenn diese Frau früher nicht mal Boxweltmeisterin war, dann fresse ich eine Gräte. Sie könnte sich locker gegen Fietje zur Wehr setzen – aber auch, wenn er eine Waffe hat? Es sieht im Moment allerdings nicht im Entferntesten so aus, als würde er überhaupt davon Gebrauch machen.
    »Ach, Frau Johannsen, ich war nur gerade zufällig in der Gegend und wollte einfach kurz vorbeischauen und hören, wie es Ihnen geht.«
    »Wie soll es mir schon gehen, nachdem sich mein Sohn umgebracht hat und der Krebs meine Lebensuhr rapide rückwärts dreht?«
    »Entschuldigung, Sie brauchen bestimmt viel Ruhe. Es war dumm von mir, Sie einfach so zu stören.«
    Harry und Grey landen neben mir. Harry schaut sich mit schräg geneigtem Kopf die Szene unter uns an und tippt sich dann an die Stirn. »Überfall auf Knuts Mutter? Möwenrollkommando? Sag mal, Ahoi – ist bei dir alles fit?«
    Auch mein Scheff zieht die Stirn in krause Federn und neigt den Kopf zu mir rüber, die Augen leicht zusammengekniffen. Ich weiß, was er denkt: Restalkohol.
    Grey wendet sich von uns ab und läuft zum anderen Ende des Dachfirsts. »Boah, ist das peinlich mit den Alten«, mault er. »Voll verpeilt sind die.«
    Ich zweifle nun auch an meinem Verstand. Aber ich habe die Waffe doch gesehen und mir das Gespräch mit dem Pizzabäcker sicher nicht eingebildet. Dafür war der Freiflug ins Hafenbecken zu schmerzhaft und das Wasser zu kalt.
    »Ach was, Fietje, ist doch nett, dass du vorbeischaust. Der Krebs frisst meine Bauchspeicheldrüse auf, ob ich nun im Bett liege oder nicht. Momentan geht es mir ja noch sehr gut. Beim Arzt war ich nur wegen meiner Rückenschmerzen und dieser häufigen Bauchschmerzen. Er hat die Symptome erst mal abgetan – typische Zipperlein im Alter, hat er gesagt. Den Krebs hat er zufällig entdeckt. Ein halbes Jahr bleibt mir noch, höchstens. Wahrscheinlich eher drei Monate. Aber was schnacken wir hier wie an der Klöntür, komm doch rein.«
    »Ach, Frau Johannsen, heutzutage gibt es doch Chemotherapien. Sie sind doch noch nicht alt, Sie könnten noch ein langes Leben haben.«
    »Spätstadium. Der Krebs ist unheilbar und aggressiv. Und trügerisch, weil er sich lange unbemerkt in meinem Körper versteckt hat. Ich bin von der Diagnose direkt ins Spätstadium gerutscht. Noch sehe ich aus wie das blühende Leben, aber bald gibt es für mich nur noch Schmerztherapie. Meinen dreiundsiebzigsten Geburtstag werde ich mit Sicherheit nicht mehr erleben. Der Wahrsager damals hatte wieder recht. Er hat meinem Mann und mir kein hohes Alter vorhergesagt. Der Tod meines Mannes sollte schnell und schmerzlos sein – und er hatte vor sieben Jahren tatsächlich diesen Autounfall. Mir hat er einen langsamen und qualvollen Tod prophezeit. Er wird wieder recht behalten.«
    Ich habe keine Ahnung, worüber sich die da unten so lange unterhalten, aber wenn Knuts Mutter einen Krebs gefangen hat, den sie nun doch nicht haben will, dann soll sie ihn doch wieder ins Meer schmeißen. Jedenfalls hat das Gespräch mit einem Überfall bisher so viel zu tun wie ich mit Wattwürmern. Ich setze Suzettes Sonnenbrille auf und möchte am liebsten im Erdboden versinken.
    »Nu aber mal Butter bei die Fische, Fietje. Wo drückt der Schuh? Du hast doch etwas auf dem Herzen. Magst du nicht hereinkommen?«
    »Doch, gern, aber ich möchte Sie wirklich nicht stören, Frau Johannsen.«
    Knuts Mutter gibt Fietje einen Wink, ihr ins Haus zu folgen. Und kaum hat sie

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