Mordsmöwen
ihm den Rücken zugekehrt, zückt Fietje die Waffe und hält sie ihr ins Genick. Scheiße, jetzt geht das doch los.
»Ich halte mich auch nur so lange bei Ihnen auf, bis Sie uns bezahlt haben. Wollten Sie Boy nur mit Schmuck und ein paar tausend Euro abspeisen? Wir wollen alles – alles, was Sie haben.«
»Du und der Pizzabäcker? Unter einer Decke? Nein! Hilfe! Hiiilfe!«
»Sei still! Du weißt, was auf dem Spiel steht. Willst du deinen Sohn wiedersehen? Das könnte ganz leicht geschehen.«
Die Tür fällt ins Schloss.
Drinnen herrscht erschreckende Stille. Kann sie sich gegen ihn zur Wehr setzen? Ein Schrei von einer weiblichen Stimme. Offenkundig nicht.
»Wir müssen Knuts Mutter retten!«, ruft unser Scheff. »Die Dame ist in höchster Not.«
»Zur Stelle.« Harry salutiert. Dann lässt er den Flügel wieder sinken. »Es gibt keine Zugriffsmöglichkeit, die Haustür ist zu.«
Helgi und ich schauen uns an. Wir denken offenbar dasselbe. Ich hüpfe auf den Kamin, halte meine Sonnenbrille mit beiden Flügeln fest und rufe: »Attacke! Alle Mann mir nach!«
Binnen Sekunden purzeln sieben schwarze Feder-Ungetüme aus dem Kamin und landen im eleganten Wohnzimmer des Friesenhauses. Knuts Mutter fasst sich ans Herz und stößt einen weiteren Schrei aus, der noch gellender klingt als der davor.
Harry breitet die Flügel auf einen Meter sechzig Spannweite aus und flattert auf Fietje zu, wir düsen in Formation hinterher. Okay, Alki torkelt aus der Reihe, und unser Scheff muss von Balthasar in die richtige Richtung geschoben werden – aber unser Auftritt zeigt Wirkung.
Fietje-Spitzbart weicht zurück. »Scheiße, schon wieder diese verdammten Viecher. Werde ich von denen verfolgt? Ich knall euch alle ab!« Er zielt mit der Waffe auf uns. Neben mir stöhnt Helgi auf und fällt um. Das war zu viel für seine Nerven.
Fietje hält die Waffe auf uns gerichtet, der Schweiß steht ihm auf der Stirn, aber er scheint wild entschlossen zu sein. Jetzt geht mir doch die Muffe. Im Fernsehen sieht das alles leichter aus, wenn wir uns beim Public Viewing am Sonntagabend auf einem Balkongeländer aufreihen und den »Tatort« anschauen.
Da wir alle in Schockstarre verharren, richtet er die Waffe wieder auf Knuts Mutter. »Gib dein Bargeld und den restlichen Schmuck her. Du hast doch sicher noch viel mehr im Haus, als du Boy gegeben hast.«
»Ich habe nicht mehr. Wirklich nicht«, haucht Knuts Mutter. Sie ist ganz bleich und weicht zurück, bis sie an den Ohrensessel mit vergoldeter Holzlehne stößt. Erinnert mich an die Einrichtung im Museum, nur dass hier zusätzlich noch schemenhafte Landschaftsbilder hängen, die so aussehen, als seien Möwen mit bunt bemalten Füßen über das Bild getappt. Nicht ganz mein Stil.
»Willst du deinen Sohn wiedersehen, ja oder nein?«, fragt Fietje und kneift grimmig die Augen zusammen.
»Dort drüben in der Kommode liegen fünfhundert Euro, noch ein bisschen Schmuck und in einer schwarzen Schachtel die Rolex meines Mannes, Gott hab ihn selig.«
»So wenig ist dir das wert? Ich mache dir einen Vorschlag: Dein Erspartes von der Bank gibst du uns noch dazu. Bis in drei Tagen hast du hunderttausend Euro organisiert. In kleinen Scheinen, hörst du? Und keine Tricks. Wenn du das Geld beisammenhast, hängst du ein weißes Handtuch an die Wäscheleine. Wir teilen dir dann die Übergabemodalitäten mit.« Fietje geht mit gezückter Waffe zur Kommode und holt das Geld und die Uhrenschachtel heraus. Er findet auch noch ein paar kleine Schmuckschatullen, die er unbesehen einsteckt.
Plötzlich wird Fietje von der Seite angegriffen. Von Alki! Mit ihm hat niemand gerechnet, am allerwenigsten Fietje. Mit einem gezielten Angriff jagt Alki ihm die Waffe ab, packt sie fest mit seinen Krallen und flattert damit in den Kamin.
Jetzt sind wir an der Reihe. Wie auf ein unsichtbares Kommando hin flattern wir alle kreischend auf Spitzbart-Fietje zu.
Der reißt die Augen weit auf und ist einen Moment wie gelähmt. Dann löst sich seine Erstarrung. »Verfluchte Scheiße, das ist ja wie bei Hitchcock hier!«, ruft er und macht, dass er wegkommt.
Knuts Mutter hält sich an der Stuhllehne fest und starrt zum Kamin, aus dem Alki, frisch geschwärzt, gerade wieder herauswankt. Er holt die Waffe unterm Flügel vor und übergibt sie unserem Scheff.
»Hinterher«, ruft Baron Silver de Luft augenblicklich, »alle Möwen Fietje hinterher!«
»Aber Scheff, das geht nicht«, sagt Balthasar und bremst damit alle
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