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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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in diesem Fall.«
    Ich schüttle den Kopf. »Ähm, Balthasar, nur noch mal zur Erinnerung: Wir sind Möwen – wir können nicht mit den Menschen sprechen. Und außerdem – warum wird nicht erwähnt, dass ein Mann mit vorgehaltener Pistole ins Haus eingedrungen ist?«
    »Sehr richtig! Dass wir Fietje in die Flucht geschlagen haben, hätte Knuts Mutter ruhig auch mal erwähnen können«, plustert sich Harry auf.
    »Das verdeutlicht die Brisanz des Falles«, ruft unser Scheff. »Obwohl Frau Johannsen Fietje erkannt hat, ist weder von ihm noch von der Erpressung die Rede. Bestimmt will die Polizei Knuts Mutter dadurch schützen und Fietje nicht unnötig nervös machen.«
    Balthasar verschränkt seine Flügel auf dem Rücken und beginnt seine Wanderung um uns herum, wie er es immer tut, wenn er nervös wird und nachdenken muss. »Und was wäre, wenn Knuts Mutter der Polizei gar nichts von der Erpressung erzählt hat? Oder davon, dass Fietje bei ihr war?«
    »Weil sie Angst um das Leben ihres Sohnes hat, wenn sie den Erpressungsversuch anzeigt?«, frage ich. »Ich weiß nicht. Selbst wenn sie das Lösegeld aufbringen will, hat sie sicher Verstand genug, zur Übergabe die Polizei einzuschalten.«
    Balthasar bleibt abrupt stehen. »Das ist es. In dem Bericht steht, dass die Nachbarn die Polizei gerufen haben. Die Nachbarn , darauf liegt die Betonung. Sie hat nicht selbst angerufen. Helgi und ich waren ja noch vor Ort, als sie das Bewusstsein wiedererlangte. Kaum dass ihr weg wart, habe ich Helgi in den Gartenteich geworfen. Er war noch nicht wieder rausgekrabbelt, da haben die Nachbarn geklingelt. Ich bin davon ausgegangen, dass Knuts Mutter noch ohnmächtig ist, aber plötzlich stand sie in ihrer Eingangstür und machte eigentlich einen ganz fitten Eindruck, auch wenn sie noch ein bisschen blass war. Sie kann also nicht gerade erst aus ihrer Ohnmacht erwacht sein. Auf die Nachfrage der Nachbarn hin versicherte sie, es sei alles in Ordnung, sie habe sich nur erschrocken. Sie sagte noch, dass ganz bestimmt keine Polizei notwendig sei, und machte die Tür zu. Wahrscheinlich kam das den Nachbarn doch komisch vor, jedenfalls haben wir dann vom Gartenteich aus beobachtet, wie die Polizei und ein Krankenwagen kamen. Die Polizisten haben sich lange mit Knuts Mutter unterhalten, aber der Krankenwagen ist ohne sie weggefahren.« Balthasar streicht sich nachdenklich mit dem Flügel die Stirnfedern glatt. »Warum wollte Knuts Mutter keine Polizei rufen? Aus Angst vor Fietje und dem Pizzabäcker? Das glaube ich nicht. Sie hätte den Beamten doch nur ihre Namen nennen müssen. Ich glaube, sie hatte vor etwas anderem Angst, nur wovor? Verdammt, wenn wir nur wüssten, wer diese Viktoria ist.«
    Dumpf brütend sitzen wir da, und ich merke bald, dass mir der Schädel brummt. Aber nicht nur vom Protokolltippen und vom Nachdenken – nein, der Wind hat gedreht. Ostwind. Und mit ihm kommen die Gewitterwolken als gewaltige blaugraue Wand in atemberaubender Geschwindigkeit auf uns zu. Es wird nicht mehr lange dauern, bis es anfängt zu regnen. Es blitzt, und nur einen Wimpernschlag später kracht über uns ein Donnerschlag, als würde die Erde aufreißen.
    »Abflug!«, ordnet unser Scheff an. »Balthasar, du hältst die Stellung und passt auf unsere Freunde im Wohnwagen auf.«
    Balthasar beginnt am ganzen Leib zu zittern und macht sich fast ins Gefieder. Er hasst Gewitter.
    »Alles in Ordnung? Soll ich an deiner Stelle bleiben, und du fliegst mit den anderen mit?«, frage ich ihn. Es gibt Momente, da tut mir sogar Balthasar leid.
    »Neineineineinein«, stottert Balthasar mit aufeinanderschlagenden Schnabelkanten. »Schononon okkkay.«
    Die zähflüssige Masse, die sich hinter seinen Füßen kreisförmig ausbreitet, spricht eine andere Sprache.
    Dennoch gibt unser Scheff Balthasar letzte Anweisungen, auch die, sich nötigenfalls unter dem Wohnwagen zu verkriechen. Die ersten dicken Regentropfen fallen.
    »Regenjacken anziehen«, ruft unser Scheff und beginnt als Erster damit, sein Gefieder frisch mit Drüsensekret einzufetten.
    Es blitzt wieder, und in diesem Augenblick schreit Balthasar auf. »Aua! Jetzt hat mich der Blitz beim Scheißen getroffen.«
    Harry beguckt sich Balthasars Schwanzspitze. »Nicht weiter dramatisch. Nur ein bisschen verkohlt. Das bringt Glück.«
    »Meine Schwanzfedern sind mir egal, das Handy ist wichtiger! Wenn das nun kaputt ist …« Aufgeregt holt Balthasar es unter seinem Flügel hervor und tippt darauf herum.

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