Mordsmöwen
Schon bald gab es ein Großaufgebot an uniformierten Menschen im Garten. Ich habe den Polizisten zugebrüllt, dass sie nach einer Viktoria und der Leiche von Mensch-Knut suchen müssen. Aber anstatt mir zuzuhören, haben sie nur in meine Richtung zurückgebrüllt, was denn dieses elende Geschrei soll, und weiter die Nachbarn befragt. Die haben ausgesagt, Frau Johannsen habe sich in den vergangenen Wochen sehr zurückgezogen, sie habe niemanden sehen wollen, und zuletzt sei nur ein alter Schulfreund ihres verschwundenen Sohnes zu Besuch gewesen.
»Taaatüüü, taaataaaa!«, schreit mein Scheff, nachdem meine Info nun auch bis in seine Promillezellen durchgesickert ist.
Die Beamten wollen Fietje einen Besuch abstatten, deshalb befinden wir uns jetzt in rasanter Anfahrt auf den Rantumer Campingplatz. Wenigstens regnet es nicht mehr, aber bei dem Fahrtwind müssen wir ganz schön in Deckung gehen, und ich befinde mich in ständiger Angst um meinen Scheff, der fast vom Dach fällt. Gleich sind wir da.
Hoffentlich hat Balthasar die beiden Ganoven gut im Auge behalten. Dem wird gleich ganz schön der Schnabel aufklappen, wenn er uns mit dem Streifenwagen kommen sieht.
»Is mir schlecht«, jammert der Baron, als wir auf den Campingplatz einbiegen und die Beamten zielstrebig auf Fietjes Wohnwagen zusteuern.
»Wir sind gleich da. Durchhalten, Scheff.«
Der Streifenwagen parkt vor dem Wohnwagen mit dem orangeroten Streifen. Ein paar Campingplatznachbarn stehen sofort von ihren Liegen auf und schauen über den Windschutz.
Die Polizisten steigen aus, wobei der Beifahrer nahe am Fahrzeug bleibt und seinem Kollegen Rückendeckung gibt.
»Aufmachen, Polizei!«
Boah, jetzt sind wir echt mitten in einem Krimi. Nur wo ist Balthasar? Auch unterm Wohnwagen finde ich ihn nicht. Himmel, wo ist er hin? Kann man sich denn in dieser Truppe auf gar niemanden verlassen? Ich hüpfe aufs Wohnwagendach, um mir einen Überblick zu verschaffen. Und tatsächlich entdecke ich Balthasar ziemlich schnell. Ist auch gar nicht so schwer. Dort, wo sich eine Menschentraube gebildet hat, sitzt Balthasar auf dem Dach eines Wohnwagens, die Zeitung von heute Morgen aufgeschlagen und posiert im Blitzlichtgewitter. Den Rest kann ich mir denken.
Ich fliege zu ihm hin, obwohl ich echt keinen Bock auf Rampenlicht habe, aber der braucht einen Einlauf. »Was in drei Krähen Namen machst du hier? Du solltest auf Fietje aufpassen! Wo ist er hin?« Das vergebliche Klopfen des Polizisten an der Wohnwagentür höre ich bis hierher.
Balthasar schaut mich mit schräg gelegtem Kopf an. »Was ich hier mache? Ich betreibe Aufklärungsarbeit. Ich informiere die Camper über unsere Ermittlungsergebnisse im Fall Knut. Was dagegen? Vielleicht sind wichtige Zeugen unter ihnen.« Das kurzzeitig abgeklungene Blitzlichtgewitter beginnt von Neuem.
»Balthasaaaar! Noch einmal langsam und zum Mitschreiben für dich: Die Menschen verstehen uns nicht. Das ist vergeblich, was du da machst. Und wenn ein Mensch eine wichtige Beobachtung gemacht hat, geht er zur Polizei. Die klopft da drüben übrigens gerade vergeblich an Fietjes Wohnwagen. Wir haben Knuts Mutter tot im Strandkorb gefunden, wahrscheinlich Selbstmord, aber noch wissen wir das nicht genau. Die Polizei geht den letzten Kontakten nach, die Frau Johannsen hatte. Wenn du deinen Job richtig gemacht hättest, könnten die Polizisten sich Fietje jetzt zum Verhör schnappen!«
Balthasar stemmt die Flügel in die Hüften und funkelt mich an: »Ich habe versagt, ja?«
»Ja, hast du.« Kaum ausgesprochen, merke ich, dass es ein Fehler war, Balthasar so anzugreifen. Aber habe ich deswegen unrecht? Ich stemme ebenfalls die Flügel in die Hüften. »Du hattest die Anweisung von unserem Scheff, Fietje nicht aus den Augen zu lassen.«
»Schau mal, die Möwe da ist eifersüchtig«, tönt es aus der Menge.
»Die sollen mal aufhören, sich zu zanken.«
»Ich will unbedingt noch ein Foto von der Möwe machen, wenn sie in die Zeitung schaut.«
Balthasar lächelt zufrieden, ordnet sich die Federn und beugt sich wieder über das aufgeschlagene Blatt.
»Das sieht echt so aus, als könnte die Möwe lesen.«
»Das glaubt mir zu Hause keiner!«
Fassungslos umkreise ich Balthasar, der die Menschen nun lauthals über den Tod von Knuts Mutter informiert.
»Das ist jetzt nicht dein Ernst, Balthasar. Lass den Unfug bleiben und hilf mir, Fietje zu suchen! Ich habe nur unseren besoffenen Scheff im Schlepptau.«
Die Menschenmenge wird
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