Mordsmöwen
ein Saufgelage veranstaltet, und ich bin diesem Lebemann im Morgenrock hinterher, um ihn über die Platzvorschriften aufzuklären. Ich habe ihn leider nur nicht mehr rechtzeitig erreicht.«
»Aber Sie sind sicher, dass der Pizzabäcker in das Taxi gestiegen ist?«
»Natürlich, wer sonst? Im Restaurant wird nie so lange gefeiert.«
»Es könnte auch jeder andere auf dem Campingplatz ein Taxi gerufen haben. Sie sind dem Mann ja nicht gleich hinterher, sondern haben nur jemanden Herrn Paulsens Wohnwagen verlassen gehört. Sind Sie sicher, dass es der Hörnumer Pizzabäcker war?«
»Natürlich! So einem Menschen muss man doch die Meinung sagen. Und Fietje wird eine Verwarnung vom Platzwart bekommen, dafür werde ich schon sorgen. So jemand in der Nachbarschaft, das ist doch kein Zustand …«
»Und wohin ist Herr Paulsen nun gefahren?«
»Na, dem Pizzabäcker hinterher, das ist doch klar.«
»Aber Sie haben es nicht genau gesehen?«
»Was heißt genau? Ich habe definitiv gesehen, dass Fietje losgefahren ist. Und wo soll er sonst hin, heute an seinem freien Tag? Wenn Sie mich fragen, haben die beiden eine Rechnung miteinander offen. Der Sache sollten Sie mal nachgehen.«
»Das tun wir gerade, Frau Schmidt-Schulze. Vielen Dank für Ihre Auskunft, wenn wir noch Fragen haben, kommen wir auf Sie zurück.«
Der Polizist will sich abwenden. Die Faltenfrau scheint aber gar nicht damit einverstanden, dass ihr Auftritt schon wieder vorbei sein soll. Sie zieht die Augenbrauen hoch, sodass sich darüber eine wahre Gebirgslandschaft auftut.
»Können Sie nicht mal was gegen diese lästigen Möwen unternehmen?« Sie zeigt auf uns. »Heute früh saßen diese Biester auf Fietjes Wohnwagen und haben so ein Geschrei veranstaltet, dass der ganze Campingplatz schon vor Sonnenaufgang wach war.«
»Dann gibt es ja bestimmt noch andere Zeugen, die uns etwas zu Herrn Paulsen sagen können.«
»Nein, nein, so meinte ich das auch nicht. Bestimmt kann Ihnen niemand sonst so detailliert Auskunft geben wie ich, aber gegen diese gefiederten Biester müssen Sie wirklich mal etwas unternehmen – das sind doch auch Verbrecher.«
Ihr Mann, ebenso faltig wie die Frau, allerdings um einiges kleiner und schmaler, legt ihr die Hand auf die Schulter. Menschen haben manchmal einen komischen Brutpartnergeschmack.
»Ach, lass gut sein, Hilde. Die Herren haben etwas anderes zu tun. Außerdem sind die Möwen auf dem Polizeiauto doch ganz putzig, nur die eine sieht ein bisschen krank aus.«
»Scheff, haben Sie das gehört? Putzig! Der Mann hat gesagt, wir seien putzig. Unverschämtheit. Scheff … alles okay?« Sieht nicht so aus. Baron Silver de Luft kauert an der Außenkante des Dachs und macht mit dem Oberkörper wellenartige Bewegungen.
»Gegen die Möwen können wir leider keinen Haftbefehl erwirken, Frau Schmidt-Schulze. Christian, einsteigen! Ruf Verstärkung, such das Kennzeichen raus und gib beim Sylt-Shuttle Bescheid.«
»Mach ich. Ich geb auch gleich noch bei der Fähre die Personenbeschreibung durch. Igitt, pfui Teufel! Jetzt hat mir diese Möwe doch tatsächlich ins Genick gereihert.«
»Jammer nicht, und sei froh, dass sie nicht geschissen hat. Das Zeug kriegste nämlich nie wieder raus.«
Die Türen knallen zu, der Motor wird angelassen.
»Festhalten«, kann ich meinem Scheff gerade noch zubrüllen. Sein Schnabel ist fast so weiß wie sein Gefieder. Kein gutes Zeichen. Aber wenigstens lässt er sich die Sache jetzt endlich durch den Kopf gehen.
Der Wagen prescht die schnurgerade Zufahrt zum Campingplatz entlang, wo sich im letzten Moment die Schranke öffnet.
»Kopf einziehen!« Eigentlich nicht notwendig, das zu betonen. Der Baron liegt ohnehin platt wie eine Flunder auf dem Autodach. Nur hätte ich vielleicht meiner eigenen Aufforderung Folge leisten sollen, dann hätte ich das Brett nicht vor den Kopf gekriegt. Im hohen Bogen mache ich den Abflug und lande nach einem Salto mit einem Bauchplatscher auf dem Zufahrtsweg. Aua. Nichts anmerken lassen, denke ich. Nichts anmerken lassen. Das hat von den Menschen beim Bäcker und an der Rezeption niemand gesehen, niemals nicht, die gucken alle nur so fasziniert, weil die B-Note richtig gut war.
Der Aufprall muss doch heftiger gewesen sein als gedacht, denn plötzlich sehe ich weiter vorne den Pizzabäcker, wie er mit Fietjes Roller wie angewurzelt auf dem Weg vor dem Polizeiauto steht, das eine Vollbremsung hinlegt. Er hat einen Helm auf, aber die Statur und vor allem die
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