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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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nicht der einzige Perverse.«
    »Woher weißt du, dass sie … ich habe nichts …«
    »Mensch! Glaubst du vielleicht, der Häfen ist ein … Chefbüro? Wo dir alles an den Arsch getragen wird? Du bist im Häfen! Auch wenn du das noch immer nicht kapiert hast, Herr Vorstandsdirektor. Radio, Fernsehen – alle suchen sie fieberhaft nach deiner Kleinen. Aber die nagelt längst einer. Oder er hat ihr auch schon den Hals umgedreht.«
    »Anja … sie ist wirklich … Anja ist … verschwunden?«
    »Ja, die hat sich einer geschnappt.«
    Hans Weger rang um Luft und sah den Mann fassungslos an.
    »Dass er sich gerade deine Tochter geholt hat, geilt den bestimmt noch mehr auf.«
    »Nein, das ist nicht wahr!«
    »Na, wirst schon sehen, wenn er ihr auch ein paar Finger abschneidet … dann weißt du wenigstens, wie das ist. Deiner Kleinen passiert jetzt haargenau dasselbe, glaub mir das! Da kenn ich mich aus.«
    Der Mithäftling nickte einige Male zufrieden und ließ Weger, der zuerst rot und danach ganz blass geworden war, stehen und setzte seine Runden fort. Zum Glück dauerte sein Hofgang nicht mehr lange, denn Hans Weger war übel geworden. Speiübel und kalt.
    Als er in die Zelle zurückgebracht wurde, fragte er den Beamten vor dem Schließen, ob es wirklich stimme, dass seine Tochter verschwunden sei.
    »Ich darf nichts sagen.«
    »Aber … ich … bitte«, flehte der mit kraftlos herabhängenden Armen und verzweifeltem Gesichtsausdruck in seiner Zelle stehende Mann. »Ich bin doch ihr Vater!«
    Der junge Justizwachebeamte, der gestern Wegers Zellengenossen, einen müden alten Kerl, der fast jedes zweite Jahr bei einem Einbruch erwischt wurde, auf die Krankenstation gebracht und mit diesem ewigen Verlierer Mitleid empfunden hatte, sah Weger kühl und abweisend an, bevor er ganz kurz nickte. Der Herr Vorstandsdirektor … wie unsympathisch war ihm dieser Perverse! Da mochte ihnen noch so sehr eingetrichtert worden sein, Gefühle im Umgang mit den Häftlingen nicht aufkommen zu lassen, weder in die eine noch in die andere Richtung; er konnte sich ihrer in solchen Fällen noch immer nicht erwehren. Obwohl der Mann jetzt so erschüttert wirkte, dass der Beamte kurz überlegte, ob er davon Meldung machen solle, sagte er sich, der soll ruhig auch einmal erleben, was er den Eltern seines Opfers angetan hat.
    »Es stimmt also? Es stimmt!«
    Der Uniformierte nickte wieder; dieses Mal noch knapper als zuvor, schloss die Zellentür und versperrte sie. Als er von drinnen ein lautes Aufschluchzen hörte, ging er schnell weg.
    Meine Liebsten
,
    was fällt einem Vater schwerer als einzugestehen, dass das, was er doch nur richtig machen wollte für sein Kind, falsch war. Grundfalsch! Meine Fehler, ich habe sie gemacht, gerade weil ich doch nur an die Zukunft meiner über alles geliebten Anja gedacht
    Sie hatten an diesem Vormittag nur zwei Stunden Unterricht gehabt, waren beide so schnell wie möglich heimgerastund bald darauf losgeradelt – genau so, wie sie es geplant und vorbereitet hatten.
    Jetzt sprangen die beiden Buben wie immer so von ihren Fahrrädern, als würde es sich dabei um Reitpferde handeln. Ihre Rucksäcke wurden zu imaginären Sätteln, die sie sich lässig über die Schultern warfen, nachdem sie ihre Fahrradhelme gegen die mitgebrachten, zu den Gilets passenden Stetsons getauscht hatten, um danach o-beinig – es war ein verdammt langer Ritt hierher – in ihren heißen Cowboystiefeln als Siedler des Wilden Westens mit den in den Halftern steckenden Colts und umgeschnallten Bowiemessern zur Wagenburg ihres Trecks zu staksen.
    Die Wagenburg bestand aus diesen großen, süßlich riechenden Siloballen und bot die bestmögliche Verteidigung gegen Angreifer aller Art – und das war überlebenswichtig, denn Gefahren drohten den Pionieren hier natürlich auf Schritt und Tritt. Und immer wieder wirbelte einer der Buben um die eigene Achse, zog seinen Colt und ballerte los – und sei es nur, um eine gefährliche Giftschlange zu erlegen.
    Als Erstes holten sie die Steine und Bretter aus dem Versteck unter den Büschen, um daraus die Feuerstelle sowie Sitzgelegenheiten zu errichten. Heute wollten sie erstmals frisch erlegtes Fleisch braten: Bald würden sie die Knackwürste auf die Haselruten stecken, um sie über das offene Feuer zu halten.
    Joe, der praktischerweise tatsächlich Josef hieß, war es ein bisschen peinlich, wie sorgsam seine Mutter den Proviant im Tupperware-Geschirr verpackt hatte. (Sogar Servietten –

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