Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
Vom Netzwerk:
geöffnet und geschlossen wurden.
    »Nein, Joe … auch im Keller ist niemand …«
    »Ich schau noch schnell ganz hinauf, unters Dach.«
    Anja hielt den Atem an, genauso, wie sie es beim Versteckenspielen gemacht hatte, als sie die Schritte auf den knarrenden Bodenbrettern auf sich zukommen hörte. Und hörte, wie der Mann nach der Tür griff, um sie zu öffnen. Bevor die Tür aufgezogen wurde, vernahm Anja Musik von einem Handy. Trotzdem öffnete sich noch die Kastentür,und der Mann warf einen kurzen Blick auf die Kleider, die dort hingen, um dann zu telefonieren. »Harlander. – Grüß Gott, Frau Weger.«
    Mama, mein Gott, Mama, dachte Anja in ihrem Versteck. Sollte sie nicht sofort mit den Polizisten heimfahren? Warum blieb sie da drinnen hocken, warum nur? Weil sie auf keinen Fall nach Vilnius wollte! Und weil sie auch nicht zum Psychiater wollte! Aber das hätte sie der Mama doch nur zu sagen brauchen. Und weil alle sie anstarrten, weil alle wussten, wer ihr Papa war und was der Furchtbares getan hatte. Sie würde sich nie wieder in die Schule trauen.
    »Ach wirklich …? Das ist gut. Nein, denn hier ist niemand … das Haus ist leer, Frau Weger. Wir bringen den Hausschlüssel bald zurück, Sie sind ja daheim? Ja, sehr gut, bis bald, Frau Weger.«
    Der Mann drückte die Kastentür wieder zu, und Anja hörte, wie er noch jemanden anrief.
    »Vollkommen leer, Chef! Nein, da ist absolut niemand. Die Frau Weger hat inzwischen den Schlüssel gefunden, ja. Unterm Schlüsselbrett ist der Schirmständer. Und da ist er in einen Schirm gefallen. Als ihr ein anderer Schlüssel hinuntergefallen ist, hat sie beide aus dem Schirm geschüttelt. Ja, Chef, machen wir, wir halten die Augen offen. Okay, bis bald.«
    Anja war froh, als sie wieder aus dem Kasten steigen konnte, da ihr vom Hocken die Knie wehtaten. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr kurz geschnittenes Haar nass am Kopf klebte und auch ihr Leibchen durchgeschwitzt war. Sie hatte viel Ersatzkleidung in ihrem Zimmer hier im Ferienhaus. Bevor sie sich umzog, ging sie auf die Toilette. Auf einmal fürchtete sie sich davor, hier allein zu übernachten.Als sie in ihrem Zimmer im Schein der Taschenlampe in den Schrank griff und ein T-Shirt herausholte, kamen ihr sogleich wieder die Tränen, weil es das war, das sie mit Birgit zum Zeichen ihrer Freundschaft getauscht hatte. Birgits Mutter hatte eigens noch bei Anjas Mama angerufen, ob das schon in Ordnung gehe, immerhin seien die beiden Leibchen im Preis nicht vergleichbar.
    Dann lief Anja von einem Zimmer ins andere und spähte in jedem durch die Spalten der Fensterbalken nach draußen. Aber von dem Mann war nichts zu sehen. Der Bauer, dem Papa das alte Blockhaus abgekauft hatte, fuhr auf dem angrenzenden Feld mit dem Traktor.
    Immer wieder dachte sie an Birgit … sie wären längst angemeldet gewesen, im Musischen Gymnasium … alle beide. Aber jetzt, was soll denn … Anja rannen die Tränen übers Gesicht … seit der zweiten Klasse Volksschule hatten sie alles zusammen gemacht. Wie konnte Papa nur … vielleicht war es doch nicht Papa? Und wenn es der Mann mit der Pferdeschwanzfrisur war, der ihr nachgegangen … wenn der zuerst Birgit geholt hatte und jetzt sie holen würde? Anja hatte Angst. Wäre sie doch nur mit den Polizisten heimgefahren!
    Sie ging auf Zehenspitzen in die Abstellkammer, durch deren Luke sie ins Haus geklettert war, überprüfte den Fensterhaken und spähte durch die Ritzen nach draußen … es war niemand zu sehen … Wirklich niemand? Was war da hinter der rechten Fichte … da hatte sich doch gerade … hatte sich da nicht etwas bewegt?
    Erich saß an seinem Schreibtisch und studierte noch einmal das Untersuchungsergebnis zum Ford Transit. An den Indizien war nicht zu rütteln – alles sprach gegen Weger. Aus einem Gefühl heraus entschloss sich der Chefinspektor,den Mann einen Tag lang ohne Verhör in seiner Zelle sitzen zu lassen, obwohl er vorgehabt hatte, die Einvernahme am späteren Abend fortzusetzen.
    Die Radionachrichten hatten die Abgängigkeitsmeldung bereits gebracht – abends wäre Anja Weger auch mit Bild im Fernsehen. Bestimmt war sie abgehauen – oder doch nicht? Wenn nun nicht Hans Weger der Täter … und der wirkliche Täter sozusagen auf seine Urheberschaft am Verbrechen an Birgit Aberger pochte, indem er sich auch Wegers Tochter holte?
    Erich rief Frau Weger an, ob zufällig etwas vorgefallen sei zwischen ihr und Anja, das ihre Tochter dazu gebracht haben könnte

Weitere Kostenlose Bücher