Mordsonate
grinsend, dass ihm als passioniertem Flohmarktbesucher ein solcher Dienstort eigentlich angemessener gewesen wäre als die neue Präsidiumsburg mit ihren schießschartenartigen Fenstern. Als er mit seinem Rad auf den Parkplatz rollte, stellte er fest, dass er zufälligerweise zeitgleich mit dem Kollegen Hagleitner eingetroffen war, der in seinem Wagen vor dem Schranken wartete, bis der leise vorsich hin fluchende Portier zum Schlagbaum getrottet kam, um an dem Kasten zu hantieren, dessen Elektronik schon seit Tagen immer wieder ausfiel.
Erich plauderte danach gelöst mit dem Leiter des Kriminalreferats in dessen Büro, nachdem er ihm zur Begrüßung sogleich erzählt hatte, dass er ihn heute schon im Interview mit seiner Nichte im Radio gehört habe. Na, erwiderte Hagleitner, bei solchen familiären Verbindungen brauche er sich um die Öffentlichkeitswirksamkeit der Arbeit seines Kollegen wohl keine Sorgen mehr zu machen. Erich war das, was bei aller Freundlichkeit in diesem Satz mitschwang, aus Linz bekannt: Wie viele Kollegen hatten sich in solchen kleinlichen Eifersüchteleien gegenseitig aufgerieben – immerhin war die Wahrnehmung durch die Medien inzwischen ein nicht gerade unwichtiges Kriterium für den Verlauf einer Karriere, das richtige Parteibuch vorausgesetzt.
»Ein nettes Mädel, Ihre Nichte. Nur immer furchtbar in Eile …«
Davon könne er ein Lied singen, pflichtete Erich ihm bei, um dann von seinem Kollegen zu erfahren, dass es bereits reichlich medialen Druck gebe wegen dieser Mozarttränen. »Ich kann von Glück reden, dass ich momentan mehr Leute darauf ansetzen kann, als die Sache eigentlich verdient. Einmal davon abgesehen, dass wir nicht weiterkommen, bei dieser Spurenlage. Wir können nur auf Zeugen hoffen – und die sind noch nicht in Sicht.« Dafür sei aber damit zu rechnen, dass sich die Politik voll auf die Geschichte setzen werde. Und der Kollege Laber wisse ja, was das heiße, meinte der Leiter des Kriminalreferats und sah Erich dabei mit betrübtem Ausdruck in die Augen. Erich war damit vertraut: Sobald die Medien in der Bevölkerung Stimmung machten, dauerte es nicht lange, bis dieschmierigsten parteipolitischen Figuren auf der Bildfläche erschienen, um Kasse zu machen. So schädlich das für die tatsächliche Aufklärung eines Falles auch immer sein mochte.
Hagleitner atmete seufzend aus. »Hoffentlich meldet sich nicht wirklich noch irgendein Künstler.«
»Ja«, warf Erich schmunzelnd ein, »sobald sich jemand etwas dabei denkt, wird’s dramatisch.«
Der Oberstleutnant kniff ein wenig die Augen zu, als er den Chefinspektor von der Seite musterte, und nickte bedächtig. Erich hatte Sympathien für den Mann, dessen Gehaben ihn älter wirken ließ und der sich noch nicht ganz im Klaren zu sein schien, wie dieser neue Kollege einzuschätzen war.
Auf dem anschließenden obligatorischen Rundgang durch die Büros erfuhr Erich so nebenbei, was aus der breiten Palette kleinkrimineller Delikte in der Stadt Salzburg gerade in Arbeit war – von Moped-, Fahrrad- und Autodiebstählen oder dem Überfall auf eine Trafikantin, der von einem Junkie die bescheidene Tageslosung geraubt worden war, über mehrere Wegweisungen gewalttätiger Ehemänner bis hin zum erfolgreichen, sich einigen Zufällen verdankenden Zugriff auf einen Rauschgifthändler, der gestern Abend erfolgt war und dessen mediale Verwertung nicht ohne die zuständige Politik erfolgen dürfe, wie Hagleitner säuerlich anmerkte. Nachts waren vom Lagerplatz einer am Stadtrand gelegenen Metallfirma sämtliche Kupfervorräte gestohlen worden. »Kupferschienen, Laminate und Folien in beträchtlichem Wert«, informierte der zuständige Beamte seinen Chef.
Im Fachbereich 4, bei der Fahndung, berichteten die Kollegen, dass soeben eine Abgängigkeitsanzeige hereingekommen sei. Gestern Abend von der örtlich zuständigenDienststelle aufgenommen und nun an sie weitergeleitet: Ein zehnjähriges Mädchen sei nach dem Klavierunterricht und dem Besuch bei ihrer Freundin nicht nach Hause gekommen. »Das kürzlich sehr bekannt gewordene Klavier-Wunderkind«, sagte der Beamte so, dass Erich nicht ganz klar wurde, ob er diese Ergänzung abschätzig oder positiv gemeint hatte.
»Aus vermögendem Haus?« erkundigte sich Hagleitner.
»Nein, schaut nicht danach aus. Vater … kaufmännischer Angestellter, Mutter, Moment, Verkäuferin.«
»Von den Eltern wurde mitgeteilt, dass es in der Früh mit dem Kind Streit gegeben hat …«
»Aha. Das
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