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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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Brutalität zählt. Da willst du die Heilige spielen, was?! Unsere Zeit kennt keine Heiligen mehr. Nur Gewinner und Verlierer! Gewinner und Verlierer, das musst irgendwann auch du begreifen!« Er holte Luft, trank und sagte danach etwas leiser: »Spätestens dann, wenn wir uns das alles nicht mehr leisten können. Diese Wohnung, zwei Autos und ein Häuschen im Grünen!« Denn ihm, dachte er verbittert, werde gerade unmissverständlich gezeigt, dass er nicht mehr zu den Siegern zähle. Er hatte sich bei der Spaltung seiner Partei für den falschen Haufen entschieden. Ganz auf den großen Führer vertrauend, war er ihm gefolgt, aber der Führer war im Suff in den Tod gerast. Und ohne ihn waren sie gar nichts mehr, so viel stand für Hans Weger längst fest. Das zeigten sie ihm jetzt auch in der ENAG überdeutlich.
    Er erhob sich etwas schwerfällig und sagte trotzig: »Aber wenn unser Mädel nach Vilnius fährt, dann werden die sich sauber anschauen … der Vater eines umschwärmten Klavierstars, der … und wenn sie sich dann noch lange aufspielen, manage ich sie halt … nein, die werden sich noch sauber –« Er brach ab, nahm einen weiteren Schluck aus der Bierflasche und ging wortlos in das große Wohnzimmer, wo er sich aufs Sofa fallen ließ. Er unterdrückte den Drang zu rauchen, weil er jetzt nicht auf die Dachterrasse gehen wollte. Er schaltete den Fernseher ein, ohne jedoch auf das Programm zu achten. Er lehnte sich auf dem riesigen Sofa zurück und gab sich dieser Mischung aus Wut und Selbstmitleid hin, die ihn in letzter Zeit so oft überkam.
    Wenig später öffnete Petra die Tür und herrschte ihn an: »Wo warst du eigentlich heute die ganze Zeit? Ich hab dich im Büro nicht erreicht und nicht am Handy!«
    Er lachte bitter auf, vermied es aber, sie anzusehen: »Brauche ich jetzt schon ein Alibi? Du drehst ja komplett durch!«
    Er schaltete den Ton lauter und fixierte den Bildschirm, während seine Frau noch eine Zeitlang mit wachsender Verachtung in seine Richtung blickte, bevor sie sich ruckartig wegdrehte und in die Küche zurückging.

2
    »Bernd ›Speedy‹ Lux ist wieder für Sie da, die beliebteste und schnellste Frühstücksrakete des Landes! Beste Laune, beste Musik und der rasanteste Speedy aller Zeiten. Auf RADIOakkktiv erfahren Sie das Allerneueste schon, bevor es passiert. Oder fast jedenfalls. Denn Ihr BSL schickt unermüdlich seine fleißigen Ameisen aus. Und die kommen überall hin, mit ihren klitzekleinen RADIOakkktiv-Mikros. In knapp zehn Minuten ist es wieder soweit, da gibt’s einmal mehr Sensationelles auf RADIOakkktiv. Eingefangen von Barbara Braun, unserer BB. Na ja, Sie wissen schon: Man kann auch ohne unendlich lange Beine und Superfigur eine BB sein –
unsere
BB halt. Aber lassen wir das, nobody is perfect, kein Body ist perfekt, wie die Briten sagen. Außer Ihr BSL natürlich. Aber das wissen Sie ja. Und deshalb serviert Ihnen Ihr BSL vorher noch CCR mit ihrer stolzen Maria! – Bernd ›Speedy‹ Lux: Von fünf bis neun für Sie aktiv, auf RADIOakkktiv!«
    Erich Laber bahnte sich seinen Weg durch die Wohnung. In engem Slalom zwischen den Türmen der großteils noch nicht geöffneten, geschweige denn ausgepackten Umzugskartons hindurch, die sich seit knapp zweiWochen in jedem der Zimmer noch so stapelten, wie die Männer von der Umzugsfirma sie abgestellt hatten. Er war auf dem Weg ins Bad – und natürlich auch ein bisschen auf der Flucht vor diesem Knallfrosch von Morgenmoderator, der für Erichs Dafürhalten seinen Namen zu Recht so abkürzte, dass man dabei unwillkürlich an eine ansteckende Krankheit denken musste. Da Erich den angekündigten Beitrag seiner Nichte aber auf keinen Fall versäumen wollte, musste er das Programm weiterlaufen lassen.
    So viel Krempel, dachte er, als er in einer der Schachteln nach frischer Unterwäsche wühlte. Dabei hatte er seine Übersiedlung von Linz nach Salzburg zum Anlass genommen, sich von in Jahrzehnten Angehäuftem zu trennen, weil er vor der Mühe des Einpackens am Ende schlichtweg kapituliert und deshalb den dringenden Rat seiner Helfer akzeptiert hatte, endlich auszumisten.
    Seit er nach Beendigung des Jusstudiums, im Anschluss an Präsenzdienst und Gerichtsjahr, in den kriminalpolizeilichen Dienst eingetreten war (vorübergehend, wie er sich damals gesagt hatte), hatte er in der Linzer Altstadt in den Zimmerfluchten einer großen Altbauwohnung gelebt, die meiste Zeit allein. Jetzt, mit bald fünfzig Jahren, sein erster großer

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