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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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Hedwig, die unter Schlafstörungen litt, seit ihr Mann vom Dach gestürzt war, beklagte sich immer, dass sie der Schlaftabletten wegen jedes Mal so zerschlagen sei, in der Früh. Aber was war, wenn das Mittel so stark gewesen war, dass sie viel länger als eine Nacht geschlafen … neuerlich weinte sie. Trotz aller Anstrengungen, leise zu sein, wurde auch ihr Wimmern wieder lauter. Aber von den Schlangen war noch immer nichts zu hören. Das waren ja träge Tiere, nicht? So schnell kämen die auch nicht herauf? Aber was wusste sie denn schon über Schlangen? Vor allem, Mutti, Papa … sie würden nach ihr suchen … natürlich auch die Polizei … und die … die würde sie finden. Ganz bestimmt. Die Polizisten würden sie befreien, bevor sie hier verdurstete und verhungerte, wenn der Fremde nicht zurückkam, um ihr etwas zu essen und zu trinken zu bringen, wie er angekündigt hatte. Auf einmal glaubte Birgit, dass er nichtmehr wiederkommen würde. Aber wozu dann das alles, wozu sollte er sie dann entführt haben? Er hatte doch nichts sonst gesagt, als dass er ihre Finger weltberühmt machen wolle. Aber warum musste er sie dann einsperren? Das hätte er doch mit der Frau Professor Stelzmann besprechen … wie hätte die sich darüber gefreut, wo sie doch so große Stücke auf Birgit hielt.
    Peter saß am Computer in seinem kleinen Büro, starrte auf den Bildschirm und versuchte, sich auf die Buchungsvorgänge zu konzentrieren, die ihm normalerweise ganz von selbst von der Hand gingen und mit denen er heute einfach nicht vorankam. Verzweiflung und Wut wechselten einander ab. Die Zuversicht, dass doch bald alles wieder gut werden würde, verflüchtigte sich inzwischen immer schneller. Obwohl er es geschafft hatte, im vergangenen halben Jahr seinen Zigarettenkonsum konsequent einzuschränken, begann sich an diesem Vormittag der Aschenbecher neben der Tastatur mit Kippen zu füllen – das Privileg des winzigen Einzelbüros, nicht wegen jeder Zigarette vors Haus gehen zu müssen, wurde jetzt zum Nachteil. Denn er rauchte heute schon wieder mit jener Gier nach Beruhigung, wie er sie von der letzten Zeit vor der Bilanzbuchhalterprüfung kannte.
    Peters Gedanken waren unablässig bei seinem Kind. Und er beschwor sich selbst ständig mit guten Vorsätzen. Immer verzweifelter versprach er seiner abwesenden Tochter hoch und heilig, dass so etwas nie wieder passieren werde wie die unschöne Szene vom gestrigen Morgen, von der er andererseits inzwischen inständig hoffte, dass sie und nichts sonst der Grund für Birgits Fortbleiben war.
    Er werde sich grundlegend ändern, das versprach er in Gedanken seinem Kind. Er werde endlich diese Existenzängstebezwingen, die er längst als Ursache dafür ausgemacht hatte, dass er immer wieder die Beherrschung verlor wegen Ausgaben, die ihm als verantwortungslose Verschwendung erschienen in Anbetracht der laufenden finanziellen Belastungen, den Rückzahlungsraten für die Wohnung und das Auto und all der Kosten, die Birgits Klavierausbildung verursachte. Wenn Annas ohnehin sehr niedriges Einkommen wegfiele, ginge es sich schon nicht mehr aus. Deshalb hatte sie ja die Stelle im Supermarkt sofort annehmen müssen, als Birgit aus dem Gröbsten heraus war und Anna zumindest halbtags wieder arbeiten gehen konnte, obwohl seine Frau als Handelsschulabsolventin für Kassa und Regalbetreuung überqualifiziert war.
    Jedenfalls, sobald er sein Kind wieder in die Arme schließen würde, wäre es mit diesen Aufregungen ein für allemal vorbei. So vieles würde sich ändern, so vieles. Selbst wenn er sich noch um irgendeinen Zweitjob umsehen müsste, Birgit sollte mehr von dem bekommen, was ihren Mitschülern aus wohlhabenden Elternhäusern ganz selbstverständlich war. Er würde sogar auf ein günstigeres Auto umsteigen. Wenn sie nur bald heimkäme! Sie
wird
heimkommen, das wiederholte er sich ständig, denn warum, warum sollte gerade ihre Tochter nicht zu den Kindern zählen, die nach einer Woche wieder aufzutauchen pflegten?
    So unermüdlich er sich auch die Worte des Polizeibeamten ins Gedächtnis rief, um sich daran zu klammern, ihre Kraft, ihn zu beruhigen, büßten sie in immer kürzeren Abständen ein. Dann überwog wieder das Gefühl der Ohnmacht, völlig wehrlos zu sein und nichts, rein gar nichts tun zu können für sein Kind. Dabei hatte der Polizist allein bei der Erwähnung des Streits vom vergangenen Morgen die Augen verdreht, um seinem Kollegen zu verdeutlichen,womit er dann auch das

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