Mordspech (German Edition)
Goltermann heben die Arme.
»Ihr habt verloren«, stelle ich fest.
»Vier zu vier« Klaus Thurn sieht Claudine Stamm gespannt an. »Was ist mit dir?«
»Ich enthalte mich.«
»Wieso?«
»Weiß nicht. Ich enthalte mich einfach. Das ist doch okay, oder?«
Natürlich ist das okay. Auch in einer Demokratie darf man sich enthalten.
»Gib’s auf, Klaus«, rufe ich, »du hättest auch verloren, wenn Claudine mit dir gestimmt hätte.«
»Dann stünde es fünf zu vier.«
»Stünde es nicht«, stellt Richter Hugo Powileit fest, »denn Bea darf als deine Frau nicht mitstimmen. Laut Satzung haben alle Eltern nur eine Stimme, schon allein, um Alleinerziehende nicht zu benachteiligen. Ich fände es ja besser, wenn nach Kinderzahl das Stimmrecht vergeben würde, aber das ist ein anderes Thema. – Wollen wir gleich einen zeitnahen Termin festlegen?«
Die Debatte geht wieder los. Wer kann wann und warum aus welchen Gründen nicht? Und wann können alle? Das kann noch dauern.
Ich sehe Maren an.
»Hast du noch Wein da?«
»Nee.« Maren grinst. »Aber’n Wodka kann ich dir anbieten.«
»Her damit!« Gemütlich lehne ich mich zurück und folge dem weiteren Verlauf der Terminabstimmung.
Karl, mach dich auf etwas gefasst! Der nächste Elternabend wird ein Duell zwischen dir und Uta. Das wird hart für dich, denn Uta hat die sprichwörtlichen Haare auf den Zähnen. Das wird verdammt hart …
26 AN DER TÜR klingelt es seit Minuten Sturm. Es klopft und hämmert, und dumpf höre ich Hünerbeins Stimme.
»Herrgott, Sardsch, mach endlich auf! Ich weiß, dass du da bist!«
Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, aber das hilft nichts gegen die pochenden Schmerzen direkt unter der Schädeldecke.
Nach dem Elternabend gestern war ich noch mit der alleinerziehenden Jana Heidenreich im Felsenkeller versackt. Nur auf ein, zwei Bier, wie sie sagte. Sie habe ihren Babysitter bis ein Uhr nachts bezahlt und wolle das auch ausnutzen. Wir lästerten noch ein wenig über Klaus und Bea und die anderen Kinderladeneltern und waren uns einig, dass man Uta nicht einfach entlassen könne, nur weil Karl es plötzlich praktisch fände, wenn nicht nur er sein Musikstudium mit unseren Kindern finanzieren könne, sondern auch seine Kommilitonin.
So wurden es sechs oder sieben Bier, der Babysitter musste Überstunden machen, und als Absacker gab es Brandy. Branntwein, wie der Deutsche sagt, oder Weinbrand. Und der war mein Tod. Denn Brandy verträgt sich weder mit Bier noch mit den gut anderthalb Flaschen Wein und den zwei oder drei Gläsern Wodka, die ich zuvor schon bei Maren getrunken hatte. Wenn, dann hätte ich mit Bier anfangen müssen, darauf Wein, dann Brandy und zum Schluss den Wodka – das wäre eventuell gegangen. Aber umgekehrt bringt es dich um. Wenn ich doch bloß schon endlich tot wäre …
»Sardsch«, brüllt Hünerbein aus dem Hausflur, »muss ich dir erst wieder die Wohnungstür eintreten oder was?«
Bloß nicht! Das hat er schon mal gemacht. Und danach war in meinem Leben nichts mehr, wie es war. Ich hoffe, er hat einen triftigen Grund, mich hier so zu triezen, sonst … – Ja, was?
Keine Ahnung. Ich bin eigentlich zu nichts fähig. Mühsam rappele ich mich auf, wickle mir einen Bademantel um den Leib und schlurfe zur Tür.
»Was willst du?« Feindselig starre ich ihn an.
»Beruhige dich.« Hünerbein kommt neugierig in die Wohnung und findet sofort den Weg in die Küche. »Hast du was zu beißen da?«
»Es ist sechs Uhr morgens«, rege ich mich auf, »und ich hatte eine lange Nacht …«
»Ja, das sieht man.« Hünerbein plündert meinen Kühlschrank und verteilt dessen Inhalt auf dem Küchentisch. »Hast du gestern gefeiert?«
»Elternabend«, stöhne ich. »Es ging ziemlich hoch her.«
»Das kenn ich«, nickt Hünerbein. Seine Kinder waren schließlich auch mal klein. »Da saufen sich dann die Eltern immer ihren Frust schön.«
»Welchen Frust? Kinder sind doch ein Segen.«
»Zweifellos.« Inzwischen steht er an der Schneidemaschine und produziert großzügig Brotscheibe um Brotscheibe. »Nur ist dieser Segen nicht jeden Tag erkennbar. Oder hast du dich nicht manchmal nach der herrlichen Zeit zurückgesehnt, als du noch frei, kinderlos und Single warst?«
Oh ja. Öfter, als mir lieb ist. War ’ne schöne Zeit damals. Ist aber schon verdammt lange her. Aber irgendwann werden die Kinder groß sein, und dann hat man wieder seine Ruhe. Vermutlich mehr Ruhe, als einem lieb ist. Da folgt dann bald die
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