Mordspech (German Edition)
wird, dass nur Härte zum Erfolg führt, Skrupellosigkeit und Egoismus. Und Karl, eigentlich ein netter Junge, versucht jetzt auch mal, Schwein zu sein. Vielleicht kommt es an bei seiner neuen Freundin.
Moralistische Langweiler sind out, egozentrische Mistkerle dagegen gelten als polarisierende Erfolgsmenschen – zu ihnen schauen wir bewundernd auf. Sei Schwein, und die Mädels liegen dir zu Füßen, habe ich erst kürzlich irgendwo gelesen. Meine Erfahrungen sind da zwar ganz andere, aber wenn’s ’ne schöne Schlagzeile gibt und genug Idioten, die diesen Mist glauben … – Verdammt, ich muss aufpassen, es reden schon wieder alle. Sonst verpasse ich noch was.
»… mir hat es immer gefallen, dass Karl mit unseren Jungs Fußball spielen gegangen ist«, erklärt Klaus Thurn gerade, »dass er ihnen die wichtige Abseitsregel erklärte. Dass er ihnen zeigte, wie man Fehlpässe vermeidet und gute Flanken schießt.«
»Flanken?« Ich merke, wie der Wein wirkt. »Ich dachte, im Fußball ginge es um Tore?«
»Mir hat es NICHT gefallen, dass Karl dauernd Fußball gespielt hat!« Jana Heidenreich zündet sich eine neue Zigarette an. »Der hat sich doch immer nur um die Jungs gekümmert!«
»Das stimmt doch nicht«, wirft Sabine Goltermann ein, »Karl hat immer so schön mit den Kindern gesungen. Auch mit den Mädchen.«
»Er hat lediglich verstanden, was längst überfällig ist: dass Jungs eine besondere Erziehung brauchen, dass sie anders gefördert werden müssen als Mädchen.« Klaus Thurn setzt sich eine halbrunde Lesebrille auf und schlägt eine schmale Mappe auf. »Ich habe das für euch mal herausgearbeitet, weil wir diese Diskussion ja schon öfter geführt haben.« Er gibt jedem ein eng mit Maschine beschriebenes Blatt. »Inzwischen ist eindeutig erwiesen, dass Jungs in unserer leistungsorientierten Gesellschaft immer weiter abgehängt werden, weil sie in der kindlichen und frühkindlichen Erziehung von Frauen dominiert werden. In den Kinderläden wird ständig gemalt, gebastelt und Ringelreihen getanzt. Aber Jungs wollen nicht nur malen und Blumen basteln. Die wollen auch mal gefordert werden, Sport treiben, sich austoben!«
»Wir haben einen Toberaum«, widerspricht Jana Heidenreich.
»Aber das reicht doch nicht, Jana!« Klaus und Bea regen sich auf. »Und deshalb ist es gut, wenn die Jungs jetzt endlich mal eine männliche Bezugsperson haben. An der sie sich reiben können. Mit der sie sich mal richtig kabbeln und Fußballspielen können. Gerade du Jana, als alleinerziehende Mutter: Was glaubst du, wann dein Sohn das erste Mal einen Mann kennenlernt. In der Schule? Vergiss es, da gibt’s auch fast nur Frauen. Wenn er Pech hat, bekommt es der Junge als Achtzehnjähriger das erste Mal mit einem Mann zu tun. Der weiß dann gar nicht, wer da vor ihm steht, mal überspitzt gesagt. Gerade Jungs von alleinerziehenden Frauen wie dir, Jana …«
»Herrgott, Klaus, Bea: Kommt zu euch«, faucht Jana qualmend, »ich habe eine Tochter und keinen Sohn!«
»Ja, aber wenn du einen Sohn hättest, dann hätte der ein Problem.«
»Wieso?«
»Weil er keinen Vater hat«, ruft Klaus. »Weil er im Kinderladen und in der Schule und was weiß ich wo noch alles nur immer mit Weibern zu tun hat!«
»Nun ist aber gut!« Großer Protest der anwesenden Frauen. »Was ist das denn fürn Machoscheiß? Chauvinist!«
»Wir wollten ja jetzt auch nicht über die Probleme von Söhnen alleinerziehender Frauen sprechen«, versucht Hugo, wieder zum Thema zurückzukommen, »sondern darüber, was wir mit Uta machen?«
»Wieso mit Uta«, frage ich, »ich denke, es geht um Karl?«
»Es geht um Uta und Karl«, präzisiert Hugo. »Wie gehen wir da jetzt weiter vor?«
»Uta kündigen und Karl an ihre Stelle setzen«, schlagen Klaus und Bea vor.
»Das könnte ein Problem geben«, gibt Hugo zu bedenken, »wir hatten das vorhin schon. Uta hat sich ja nichts zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil, sie hat ihre Arbeit immer sehr gut gemacht. Ohne triftigen Kündigungsgrund könnte sie gegen ihre Entlassung klagen und dann …« Hugo winkt ab. Als Richter weiß er, wie lange so was dauert. »Ganz abgesehen von den Kosten, die da auf uns zukommen würden.«
»Darf ich kurz daran erinnern«, wende ich ein, »dass wir Uta mal wegen ihrer fachlichen Kompetenz eingestellt haben? Weil sie eine ausgebildete Erzieherin ist. Karl hat, soweit ich das mitbekommen habe, überhaupt keine Ausbildung.«
»Er studiert Musik«, weiß Sabine
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