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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Zugverkehr gesperrt ist. Wir müssen wichtig aussehen, denn sofort kommen ein paar von den Pendlern auf uns zu.
    »Wissen Sie etwas Genaueres?«
    »Keine Panik!« Hünerbein macht eine zuversichtliche Miene und schickt die Leute in irgendeine Richtung. »Benutzen Sie einfach den Schienenersatzverkehr.«
    »Schienenersatzverkehr?« Ich schaue mich verwundert um. »Wo sind denn die Busse?«
    »Was für Busse?«
    »Schienenersatzverkehr macht man mit Bussen!«
    »Tatsächlich?« Hünerbein zuckt mit den Schultern und taucht unter der Polizeiabsperrung durch. »Keine Ahnung, ich bin Autofahrer.«
    »Harry«, rege ich mich auf und laufe ihm nach, »du hast die armen Leute einfach weggeschickt! Jetzt suchen die dahinten die Ersatzbusse, und es sind gar keine da.«
    »Es werden schon noch welche kommen.« Hünerbein strebt die Stufen zum Bahnsteig hoch. »Hört man doch immer im Radio. S-Bahn-Linie Soundso fährt nicht, benutzen Sie den Schienenersatzverkehr.«
    »Hier fährt aber kein Schienenersatzverkehr!«
    »Na wenn schon!« Hünerbein fährt herum. »Ist das unser Problem? Mitnichten. Wir haben uns hier nicht um lebende S-Bahn-Fahrer zu kümmern, sondern um tote.« Er spricht einen der uniformierten Polizisten an, die hier überall übermüdet herumstehen. »Wo ist er eigentlich, der Tote?«
    »Dahinten. Vorletzter Wagen.« Der Uniformierte zeigt auf den am Bahnsteig stehenden S-Bahn-Zug. » NICHT EINSTEIGEN « steht auf den Abfahrtstafeln.
    »Liebe Fahrgäste«, scheppert eine heiser klingende Lautsprecherstimme drauflos, »der Zugverkehr ist in beide Fahrtrichtungen bis auf Weiteres gesperrt. Bitte benutzen Sie den Ersatzverkehr auf der westlichen Bahnhofseite. Ich wiederhole …«
    Hünerbein sieht mich mit einem triumphierenden Hab-ich’s-doch-gewusst-Blick an und verschwindet im vorletzten Waggon.
    Glück gehabt, denke ich und folge ihm.
    Weniger Glück hatte der Junge, der im Gang zwischen den Türen liegt. Ein Kind fast noch, höchstens Anfang zwanzig, mit kahl geschorenem Schädel und zu großer Bomberjacke.
    »Na, was haben wir denn hier?« Hünerbein beugt sich schnaufend vor.
    »Genickbruch«, erklärt Dr. Graber und sieht uns über seine halbrunde Lesebrille skeptisch an. »Ich hätte wetten können, dass die Brandenburger hierfür zuständig sind.«
    »Tja, so kann man sich täuschen«, antworte ich. »Sie sind ja auch hier.«
    »Das Land Brandenburg hat noch keine eigene Rechtsmedizin«, erklärt Graber bekümmert. »Die dachten, das klappt mit der Länderzusammenführung, und haben an der Forensik gespart. Bis die das aufgeholt haben, sind wir gefordert.« Er zeigt auf den Unterkiefer der Leiche. »Sehen Sie den Bluterguss hier?«
    Der ist nicht zu übersehen. Das ganze Kinn ist blau.
    »Da hat ihn was getroffen«, sagt Graber, »wahrscheinlich ein Fuß. Die anderen haben das auch.«
    »Die anderen?«
    »Seine Kumpels.« Graber zeigt nach draußen. »Die wurden ambulant behandelt und sind mit ein paar Blessuren und dem Schrecken davongekommen. Dem hier dagegen hat es förmlich den Kopf weggekickt.«
    »Gibt es weitere Zeugen?«
    »Eure Kollegen kümmern sich drum.« Graber zeigt ans andere Ende des Waggons, wo die Oberkommissare Beylich und Matuschka ein älteres Ehepaar befragen.
    Ich winke ihnen knapp zu und folge Hünerbein wieder hinaus, weil er die »beiden Kumpels« auf dem Bahnsteig vernehmen will.
    Sie tragen ebenfalls Bomberjacken, ihre kahl rasierten Köpfe sind dramatisch bandagiert. Und sie wurden mit Handschellen an eine der Wartebänke auf dem Bahnsteig gefesselt.
    Fragend sehe ich die beiden Beamten an, die die Jungs bewachen.
    »Es wurde Anzeige erstattet«, erklären die mir, »wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Eine Tunte hat die beiden angezeigt.«
    »Eine Tunte?« Hünerbein hebt spöttisch die Augenbrauen. »Hier im hübschen Neuendorf?«
    »Ja, die kam aus Berlin«, erklärt der Beamte. »Wurde von den Jungs übel zugerichtet. Die haben einiges auf dem Kerbholz und ein langes Vorstrafenregister. Wir warten nur, bis Sie die befragt haben, dann werden wir sie gleich dem Haftrichter zuführen.«
    »Okay«, wende ich mich den versehrten Bomberjackenträgern zu, »was ist passiert?«
    »Ha’m wa doch schon dreimal erzählt.«
    »Dann erzählen Sie’s mir noch mal.« Ich setze mich zu ihnen auf die Bank. »Gab’s ’ne Schlägerei?«
    »Det war ’ne Oma«, erklärt der Ältere der beiden, »echt!«
    »Eine Oma?«
    »Na, jedenfalls uralt. Wir ham die ’n bisschen anjemacht

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