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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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noch abheben sehen.«
    Hünerbein und ich schauen uns an. Die Baulampen wurden nicht wieder weggeräumt. Das bedeutet, es werden weitere Bundeswehrmaschinen landen. Aber bringen sie wirklich Gerät zur Bekämpfung der Oderflut? Warum landen sie dann nachts? Tagsüber wäre es doch viel einfacher, die Piste zu finden.
    Nein. Da läuft etwas anderes. Etwas Verborgenes, etwas, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Und es hat, da sind wir uns sicher, mit diesem alten Chemiewaffenbunker zu tun.
    »Können wir hier irgendwo übernachten?«
    »Sicher.« Der Pfarrer lacht bitter auf. »In Altgrieben gibt’s derzeit ja genug leerstehende Häuser.« Er klettert mit uns wieder die Stiege hinunter. »Aber ganz im Ernst: Ich kann Ihnen zwei Gästezimmer im Pfarrhaus anbieten.«
    » NEIN «, brüllt Hünerbein plötzlich, weil sich die Hühner und auch ein paar streunende Hunde und Katzen über unseren Picknickkorb in Connis Biergarten hergemacht haben. »Das gibt’s doch nicht!« Im Nullkommanix ist er aus der Kirche raus und stürmt über die verlassene Dorfstraße. »Verdammte Mistviecher! Weg hier, husch, husch! Verschwindet!« Mit wedelnden Armen scheucht er das gackernde Federvieh auf und wirkt dabei selbst wie ein großes, fettes Huhn.
    »Warum nennt er Sie eigentlich Sardsch«, fragt mich der Pfarrer, »sind Sie Amerikaner?«
    »Nein«, antworte ich. »Aber mein Vater war Sergeant bei der US -Army. Er war nach dem Krieg in Deutschland stationiert und hat ein Kind gezeugt. Mich.«
    »Und seitdem heißen Sie Sardsch?«
    »Das ist der spezielle Humor meines Kollegen«, erwidere ich. »Der nennt mich so, seit er meine Personalakte gelesen hat.«
    »Verstehe.« Der Pfarrer nickt. »Wenn Sie mehr über die Wehrmachtsanlagen im Wald wissen wollen«, fügt er nach einer Weile hinzu, »sollten Sie sich an den alten Schlünz wenden. Der war dort zu Kriegszeiten im Einsatz und ist außer mir der Einzige, der noch hier im Ort geblieben ist.«
    Vatta Schlünz, genau. »Wo wohnt denn der Mann?«
    Der Pfarrer zeigt die Dorfstraße hinunter. »Rechts, das vorletzte Haus mit der alten Fliegerabwehrkanone im Garten. Sie können es gar nicht verfehlen, Sardsch.«

30   » GEFÄLLT IHNEN DIE ACHT - ACHT ?«
    Vatta Schlünz kommt, in einen verschlissenen Blaumann gekleidet und mit einem Elbsegler auf dem grauen Haupt, aus seinem verwilderten Garten.
    Ein großer, grobschlächtiger Typ, rüstige siebzig, vielleicht auch fünfundsiebzig Jahre alt. Er hat eine erkaltete Pfeife im Mund, die er auch beim Sprechen nicht rausnimmt, und die Hände in den Hosentaschen.
    »Hübsche Waffe, was«, knarzt er mit kehliger Stimme. »Mündungsgeschwindigkeit achthundert Meter die Sekunde, fünfzehn bis zwanzig Schuss die Minute bei einer Schusshöhe von gut zehn Kilometern.« Er tätschelt liebevoll das gewaltige Kanonenrohr. »Ja, mit dem Mädchen haben wir so manche Spitfire und einige B-17-Bomber vom Himmel geholt. Die Tommys haben sich vor Angst in die Hose geschissen, wenn sie nur unser Sperrfeuer sahen.«
    Und in der Tat ist es ein beeindruckendes Geschütz, das der alte Vatta da vor seinem Haus stehen hat. Ein grau gestrichenes Monstrum auf einem mächtigen Lafettenkreuz. Allein das Rohr mit dem darüberliegenden Luftvorholer ist gut fünf Meter lang und noch immer drohend in den Himmel gerichtet. Seitlich sieht man den Schemel für den Richtschützen und jede Menge Kurbeln und Handräder.
    »Funktioniert alles noch.« Schlünz dreht an einem der Stellräder. »Sehen Sie?« Das Geschütz beginnt sich zu drehen. »Schwenkbereich dreihundertsechzig Grad, versuchen Sie das mal mit ’ner normalen Artilleriewaffe! Deshalb haben wir das Mädel auch zum Erdkampf eingesetzt.« Er nimmt die Pfeife aus dem Mund und lächelt zufrieden. »Abfeuerbar bis minus drei Grad unter der Horizontalen. Damit haben wir den Russen zum Schluss noch mal ordentlich eins auf die Mütze gegeben.«
    »Schießt das Ding noch?«
    »Nein, leider. Die feuert nie wieder eine Granate ab.« Schlünz scheint das sehr zu bedauern. »Fast eine Tonne Beton haben sie mir ins Rohr gegossen, um die Acht-Acht unschädlich zu machen. Sonst hätte ich sie mir nicht hierherstellen dürfen.«
    Schon klar, denke ich. Nur, warum stellt sich der Mann dieses Ungetüm überhaupt vors Haus?
    »Gartenzwerge sind nicht mein Ding«, grinst der alte Vatta, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Ich mag’s lieber aussagekräftig, wenn Sie verstehen, was ich meine. Mit so einer Waffe«,

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