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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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meine Frau und die Kinder haben sie weggeschickt. Die leben jetzt bis auf Weiteres im Ferienhaus einer Tante im Harz. Nur ich durfte bleiben, weil ich Ihnen klargemacht habe, dass ich meine Kirche unmöglich allein lassen kann.«
    »Aus Angst vor Plünderern?«
    Der Pfarrer nickt. »Man weiß ja nie. Und in der Kirche haben wir einige sehr alte, möglicherweise für Sammler wertvolle Dinge. Ich wollte das nicht riskieren. Zumal ja keine wirkliche Gefahr droht. Nur eine …«, er tippt sich gegen die Stirn, »… eingebildete.«
    Na, das kann genauso auf die Gefahr von Plünderungen zutreffen, denke ich, erspare mir jedoch einen derartigen Kommentar und knabbere an meiner Hähnchenkeule.
    »Und was treibt Sie hierher?«, erkundigt sich der Pfarrer.
    »Reines Interesse«, tönt Hünerbein, »und Forscherdrang.«
    »Wundert mich, dass Sie der Polizeibeamte vorne überhaupt reingelassen hat.« Der Pfarrer lächelt. »Normalerweise passt der auf wie ein Luchs.«
    »Wir waren halt sehr charmant«, entgegnet Hünerbein und hält dem Pfarrer den Teller mit den Keulen hin. »Wollen Sie auch was?«
    »Ja, gern!« Der Pfarrer greift zu. »Mit frischen Lebensmitteln ist es hier gerade etwas knapp. Nur gut, dass wir Sommer haben.« Er spricht kauend weiter. »Da kann ich mir Obst und Gemüse aus dem Garten holen. Aber Fleisch …« Er schüttelt den Kopf.
    »Warum schlachten Sie sich nicht einfach ein paar von denen?« Hünerbein zeigt auf die immer zahlreicher werdenden Hühner, die sich uns, tuck, tuck, tuck, nähern und offenbar auch Hunger haben.
    Ich werfe ihnen ein paar Brotkrumen zu, und sofort stürzen sie sich laut gackernd und wild mit ihren kurzen Flügeln schlagend drauf.
    »Schlachten?« Der Pfarrer winkt lachend ab. »Oh nein, das kann ich nicht. Da halte ich mich an das fünfte der Zehn Gebote: ›Du sollst nicht töten‹.«
    »Aber das gilt doch nicht für Tiere.«
    »Nicht?« Der Pfarrer zweifelt. »Ich weiß nicht. Ich bin kein Bauer. Aber Fleisch esse ich trotzdem gern.« Hungrig beißt er in seine Keule. »Sehr lecker übrigens. Interessant gewürzt.«
    »Nicht wahr?« Hünerbein freut sich und wirft mir einen Blick zu. »Das Geheimnis ist: statt Salz Rosmarin verwenden. Einfach beim Garen ein, zwei frische Zweige dazulegen. Dann kommt der Eigengeschmack des Fleisches besser zur Geltung. Und später bestreichen Sie es im Grill mit Öl, in das Sie etwas Chili und Knoblauch gemischt haben. Dann werden die Keulen schön kross und schmecken so wie jetzt. – Einfach lecker!«
    »Und das ist keine Übertreibung.« Der Pfarrer haut rein wie ein, um im ländlichen Aspekt zu bleiben, Scheunendrescher.
    Ich füttere weiter die hungrigen Hühner. Sie haben gemerkt, wer hier ihr Freund ist, und mich inzwischen gackernd in Besitz genommen. Einige versuchen mir sogar auf den Schoß zu hüpfen, um schneller an Brotkrumen zu kommen. Nur der Hahn steht etwas abseits und beäugt mich kritisch mit schiefem Kopf. Ahnt er, dass etwas nicht stimmt? Dass hier am Tisch die Keulen seiner Artgenossen verspeist werden? Sieht er die Gefahr?
    Wohl kaum. Hühner sind, das darf man aus menschlicher Sicht durchaus behaupten, vollkommen einfältige Tiere. Unfähig, einen Zusammenhang zwischen der gebratenen Keule und sich selbst herzustellen.
    »Putt, putt, putt«, mache ich und freue mich wie ein Kind, weil sie mir so zutraulich das Brot aus der Hand picken.
    Überhaupt das Land. Wieder einmal merke ich, wie stadtmüde ich geworden bin. Ach, die frische Luft, die Natur, die Ruhe – einfach herrlich. Hier könnte ich mich niederlassen. Der Job eines Dorfpolizisten ist auch nicht schlecht. Man hat kaum zu tun, weil nie etwas passiert. Zumindest wirkt diese Gegend trotz der Plünderei-Plakate so. Eine Kneipenschlägerei, vielleicht mal ein Eifersuchtsdrama, das war’s. Genau der richtige Job für die letzten Jahre bis zur Pension.
    »Sagen Sie mal«, fragt Hünerbein gedehnt, »gibt es hier militärische Anlagen oder so etwas?«
    »Zum Glück nicht mehr.« Der Pfarrer schüttelt den Kopf. »Früher waren die Russen da. Und bis heute sind wir hier der einzige Ort im ganzen Oderbruch, wo große Transportmaschinen landen können.«
    »Große Transportmaschinen?« Wovon spricht der Mann? Gibt’s einen Flugplatz im schönen Altgrieben?
    »Kommen Sie!« Der Pfarrer führt uns zu seiner Kirche. »Ich zeig’s Ihnen. Vom Turm haben wir einen prima Überblick.«
    Eine schmale, vom Taubendreck grau gewordene Holzstiege führt hoch in den

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