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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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wieder klopft er auf den grau gestrichenen Stahl, »ist immerhin eine ganze Generation von Flakhelfern groß geworden. Das Ding hat Geschichte. Diese Acht-Acht stand unten in der Flakbatterie am Waldwerk. Das war meine Waffe im Krieg. Und wären uns damals nicht die Granaten ausgegangen, wäre der Russe hier nie durchgekommen.«
    »Schön, dass Sie das Waldwerk ansprechen.« Hünerbein geht ehrfürchtig um die Kanone herum. »Deshalb sind wir hier. Ein Tipp vom Pfarrer. Er sagte, dass Sie sich in dieser alten Bunkeranlage bestens auskennen.«
    »Ich gehöre zu denen, die das Werk gebaut haben«, erwidert Vatta Schlünz, »und war später als Unterscharführer für die Sicherheit des Objekts verantwortlich.«
    »Waffen- SS ?« Ich sehe ihn fragend und wohl auch etwas skeptisch an.
    Der Alte nickt. »Ich war jung. Und ich wollte zur Elite gehören.«
    »Dann haben Sie’s ja weit gebracht.«
    »Hören Sie!« Er legt mir väterlich seine Hand auf die Schulter. »Sie waren nicht dabei. Sie wissen nicht, wie es damals war.«
    »Ich weiß, dass es böse endete.«
    »Ja. Das war schlimm.« Vatta Schlünz schaut mir tief in die Augen. »Sie können sich nicht vorstellen, wie schlimm.« Er wendet sich ab. »Komm Sie rein. Ich spendiere uns ’ne Flasche Korn.«
    Bloß nicht. Schon der Gedanke an Alkohol verursacht mir Kopfschmerzen. Aber der Alte will uns was erzählen, und deshalb nehmen wir die Einladung an.
    Schlünz füllt die kleinen Gläser auf dem Tisch und hebt sein Glas. »Zum Wohle dann!«
    Wir sitzen am Resopaltisch in der Küche des Alten und trinken notgedrungen mit.
    »Es ging um Wunderwaffen.« Schlünz gießt die Gläser wieder voll. »Das war das Thema damals. Wunderwaffen.« Er lacht bitter auf. »Der Krieg war verloren. Das wussten alle. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Und so warteten wir auf den Tag, an dem uns die neuen Waffen den Sieg bringen würden. Vergebens, wie man heute weiß.« Er trinkt wieder.
    »Was waren das für Waffen?«
    »Raketen. V1, V2. Haben Sie davon nie gehört?«
    »Doch, schon. Aber dass hier die V2 produziert wurde, ist uns neu, oder?« Ich sehe Hünerbein an.
    »Ganz neu«, pflichtet er mir bei.
    »Wir haben hier nicht an den Raketen, sondern nur an besseren Triebmitteln dafür gearbeitet«, erklärt uns Schlünz. »Wir waren zwar formal der Heeresversorgungsanstalt untergeordnet, galten aber als wichtiges Forschungszentrum der Waffen- SS .«
    »Offiziell?«
    »Unsinn. Das war natürlich alles streng geheim.« Schlünz lehnt sich zurück und nuckelt an seiner Pfeife. »N-Stoff«, setzt er hinzu.
    »Endstoff?«
    »Nicht End«, verbessert Schlünz, »sondern N. Wie Nordpol. N-Stoff. Das war die Bezeichnung für das Zeug, mit dem da herumexperimentiert wurde. Ein hochenergetischer Oxidator für die Raketentechnik.«
    »Wurden auch chemische Waffen hergestellt? Chlorgas oder so?«
    »Nein!« Schlünz winkt heftig ab. »Das ist eine Legende. Ich weiß nicht, wer das in die Welt gesetzt hat, aber wir haben kein Giftgas hergestellt. Das waren erst später die Russen. Habe ich Ihrem Kollegen alles schon erzählt.«
    Hünerbein hebt die Augenbrauen. »Unserem Kollegen?«
    »Na, dieser Journalist, der letzte Woche da war. Dieser …«
    »… Kawelka?«
    »Genau.« Schlünz hebt die Flasche. »Noch einen?«
    Ich winke ab, aber Hünerbein greift gerne zu. Zur Verdauung, wie er immer sagt. Wer viel trinkt, kann auch mehr essen.
    Schlünz füllt ihm das Glas nach. »Die Anlage wurde von der Deutschen Sprengchemie geführt, verstehen Sie? Sprengstoff, kein Gas! Jedenfalls nicht zu Kampfzwecken. Natürlich war der N-Stoff auch hochgiftig, wir hatten da mal einen schlimmen Unfall. Da sind die Leute reihenweise umgefallen. Aber das Zeug an der Front als Giftgas einzusetzen, wäre reine Verschwendung gewesen. Viel zu aufwendig in der Herstellung. Viel zu wertvoll.« Er zieht ein Feuerzeug hervor, setzt den Tabak in der Pfeife wieder in Brand und hüllt sich in dichte Rauchwolken. »Und denken Sie an die Lehren aus dem Ersten Weltkrieg. Wenn Sie Gas einsetzen und der Wind plötzlich dreht, gefährden Sie die eigenen Truppen. Deshalb haben wir das nicht mehr gemacht.«
    »Das war ein Führerbefehl«, prahlt Hünerbein mit dem Wissen unseres Rechtsmediziners Dr. Graber: »Hitler höchstpersönlich hat den Einsatz von Giftgas im Krieg verboten.«
    »Hat er das?« Schlünz sieht interessiert auf.
    »Wussten Sie das nicht?«
    »Nein. Aber ich weiß, dass die Sowjets hier später eine Anlage zur

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