Mordspech (German Edition)
es schreien mögen, so angespannt war sie. Stattdessen zwang sie sich zur Ruhe. »Ich habe meinen verloren. Erst vor Kurzem. Gestern. Deshalb will ich ja mit dem Herrn Knoop sprechen.«
»Mädchen, wir sind hier doch keine Meldestelle.« Kampeter schüttelte den Kopf. »Haben Sie nichts anderes dabei? Führerschein oder so?«
»Meine ganze Brieftasche ist weg«, rief sie hysterisch, »und es hängt mit dem Fall zusammen!«
»Welchem Fall?«
»Na, dem … dem Fall!« Ihre Gedanken kreisten. In den Sonntagskrimis im Fernsehen hieß es doch auch immer Fall. »Dem Mordfall«, setzte sie, jetzt doch fast schreiend, hinzu, »Sie sagten doch, dass der Herr Knoop in der Mordkommission ist! Was wird er da wohl machen? – Mordfälle aufklären, nehme ich an! Darf ich jetzt zu ihm?«
»Ja gut, dann sagen Sie mir wenigstens Ihren Namen.«
»Stefani!« Etwas Besseres als die No-Doubt-Sängerin fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. »Gwen Stefani.«
»Na sehnse. Geht doch.« Der Pförtner notierte es in sein Besucherbuch und zeigte dann Richtung Treppe. »Zweite Etage links, durch die Glastür und dann rechts. Sie können es nicht verfehlen.«
»Vielen Dank.«
Rasch lief sie die Stufen hoch, erster Absatz, erster Stock, zweiter Absatz, zweiter Stock, links, Glastür, rechts, und stand keuchend in einem großen Büro mit vier Schreibtischen vor hohen bogenförmigen Fenstern. Zwei der Schreibtische waren besetzt. Die Männer waren nicht uniformiert und sahen fragend auf. Ein älterer mit einer längst aus der Mode gekommenen großen Hornbrille und ein jüngerer, dem die Beflissenheit ins Gesicht geschrieben stand.
Aber welcher von den beiden war nun Knoop?
»Sie sind vermutlich«, der Mann mit der Hornbrille erhob sich und kam zuvorkommend auf sie zu, »Frau Gwenn, nicht wahr?«
»Frau wer?« Susanne Baier verstand nicht.
»Frau Stefanie Gwenn.« Hinter der Hornbrille lächelte es. »So hat uns das wenigstens die Pforte gemeldet. Ist das nicht korrekt?«
»Doch, doch«, endlich fiel der Groschen. Sie reichte dem Mann freundlich die Hand. »Dann sind Sie Herr Knoop?«
»Nein, ich bin Herr Beylich.« Er zeigte zu dem Beflissenen, der sich ebenfalls erhoben hatte. »Und das ist mein Kollege Matuschka. – Hauptkommissar Knoop ist leider nicht da, aber ich denke, wir können Ihnen auch weiterhelfen.« Er schob ihr einen Stuhl hin. »Aber bitte: Setzen Sie sich doch!«
Susanne Baier blieb stehen. Deutsche Polizei, dröhnten Meyers Worte in ihrem Kopf, von Tätern durchdrungen, Werkzeug der Machtelite. Sprich nur mit Knoop, hörst du? Wenn sie ihn noch nicht kaltgestellt haben, kann er uns helfen.
»Wo ist Herr Knoop?«, fragte sie unsicher, »ich möchte mit Herrn Knoop sprechen. Nur mit Herrn Knoop!«
»Ja, da sind Sie nicht die Erste.« Beylich lächelte immer noch. »Leider ist er nicht hier. Tut mir leid. Worum geht es denn?«
Ja, das wollt ihr wissen, was? Susanne Baier durchschaute das Spiel. Aber ich bin nicht blöd. Ich weiß, dass ihr ihn kaltgestellt habt. Meyer hatte es geahnt. Mist!
Plötzlich war ihr klar, dass sich die einzige Hoffnung, doch noch Hilfe bei der Polizei zu finden, soeben in alle Himmelsrichtungen zerstoben hatte.
Es wird keine Rettung geben, dachte sie, verdammt, wir sind verloren. Meyer ist verloren!
Abrupt drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ den Raum.
»Frau Gwenn«, hörte sie es noch fragend, als sie die Treppen hinunterlief, »Frau Gwenn, was ist denn los?«
Nichts da! Susanne Baier machte, dass sie davonkam. Sie rannte nicht, sie floh. Raus hier, war ihr einziger Gedanke. Nichts wie weg aus dieser Höhle des Löwen!
Im Foyer stieß sie dann heftig mit einem Dicken zusammen. Sie hatte ihn nicht gesehen, weil sie sich nach diesem Beylich umgedreht hatte. Aber der war ihr nicht gefolgt.
Stattdessen hing sie nun in den Armen dieses wirklich sehr fetten Mannes.
»Na, na, na, junge Frau! Wo wollen wir denn so schnell hin?«
»Zu Herrn Knoop«, rief sie atemlos. »Ich rede nur mit Herrn Knoop!«
»Das trifft sich gut«, sagte der Dicke kopfschüttelnd. »Obwohl ich noch nie verstanden habe, was ihr Weiber immer alle von dem wollt.«
Er schob sie einem hochgewachsenen, etwa mittelalterlichen Typen mit schütterem Haar zu, der seine besten Jahre bereits hinter sich hatte und etwas hilflos mit seinem Handy spielte.
»Sardsch? Dein Typ ist gefragt!«
37 TANTE TILLY WUSSTE , mit wem sie es zu tun gehabt hatte. Ihr war klar, dass ihr letztes Zielobjekt bei
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