Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
fort.«
Mit diesen Worten schilderte der damals sechsundzwanzigjährige Ilan Tesler bei seiner Zeugenvernehmung vor der Mordkommission München, was sich in jener Nacht zum 7. Januar 1997 auf dem weltberühmten Inka-Pfad an der in dreitausendsiebenhundert Meter Höhe gelegenen Ruine Runcuracay in Peru ereignet haben soll. Das war am 22. Januar 1997.
Auf den Tag genau fünf Jahre später sprach das Schwurgericht beim Landgericht München I das Urteil: »Der Angeklagte Ilan Tesler wird wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Schuld des Angeklagten wiegt besonders schwer. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.«
Rückblick
Am 20. Januar 1997 wird der Leichnam der damals vierunddreißigjährigen Wissenschaftlerin und Krebsforscherin Dr. Ursula Glück-Tesler von Lima/Peru nach München überführt. Den Begleitpapieren ist zu entnehmen, dass die gebürtige und zuletzt in New York lebende Münchnerin einen Kopfschuss erhalten hat, an dessen Folgen sie am 13. Januar 1997 in einer Klinik in Lima gestorben ist.
Am 21. Januar 1997 wird der in Formalin konservierte Leichnam in München nachobduziert. Die inneren Organe warenbereits entfernt. Entscheidend ist aber der Schädel. Deutlich ist das Einschussloch im linken oberen Stirnbereich erkennbar, mit einem »Fastaustritt« im Hinterhauptbereich. Das Projektil, das bei der Erstobduktion demnach noch im Schädel gesteckt haben muss, ist allerdings nicht mit übersandt worden. Ergebnis: Ursula Glück-Tesler verstarb an einem Kopfsteckschuss, wobei es sich nicht um einen aufgesetzten oder einen Nahschuss unter fünfzig Zentimeter gehandelt haben dürfte. Sonstige Zeichen äußerer Gewalteinwirkung sind nicht vorhanden.
Am 22. Januar 1997 kommt der Ehemann nach München, um an der Beisetzung seiner Frau teilzunehmen. Bereitwillig stellt er sich der Vernehmung durch die Mordkommission. Ilan Tesler wirkt gebrochen, schüchtern und gehemmt. Immer wieder betont er, wie sehr er seine Frau geliebt habe und wie sehr sie ihm fehlen würde.
Ilan Tesler schildert, seine Frau und er seien am Weihnachtstag 1996 von New York nach Lima geflogen. Von dort aus hätten sie in den folgenden Tagen das Land bereist und seien am 1. Januar in der Stadt Cuzco eingetroffen. Am 5. Januar seien sie schließlich mit dem Zug nach Corihuayrachina, Kilometer 88, gefahren, dem etwa zweitausendfünfhundert Meter hoch gelegenen Ausgangspunkt ihrer auf drei Tage ausgelegten Wanderung auf dem Inka-Pfad. Einer Reisegruppe hätten sie sich nicht angeschlossen, da sie schneller vorankommen wollten, als dies in einer Gruppe möglich sei.
Schon in der ersten Nacht habe es einen Zwischenfall gegeben. Männer mit Lampen seien ums Zelt geschlichen. Ursula hätte furchtbare Angst gehabt. Dennoch hätten sie am nächsten Tag den Weg allein fortgesetzt, obwohl sie immer wieder Kontakt zu einer Gruppe von Touristen gehabt hätten, die zur selben Zeit auf dem Pfad unterwegs gewesen sei. Letztmals habe man die Gruppe in den Abendstunden des 6. Januar auf dem Campingplatz Pacamayo getroffen. Ursula und er hätten es jedoch vorgezogen, noch etwa drei bis vier Stunden weiterzur Ruine Runcuracay aufzusteigen. Als man dort angekommen sei, sei es bereits dunkel gewesen. Sie hätten ihr Zelt aufgeschlagen. Man sei an diesem Platz allein gewesen. Am nächsten Morgen, gegen fünf Uhr, sei es dann passiert…
Zur Beschreibung der Täter und zu seinem Verdacht gibt er Folgendes an:
»Braune Haut, schwarze Haare, kakifarbene Hose, eine schwarze Pilotenjacke. Der Mann war unrasiert, er trug einen Zwei- oder Dreitagebart. Er hatte nichts auf dem Kopf. Er hatte kurze, bis über die Stirn fallende Haare. Er sah aus wie ein Peruaner, war nicht alt, vielleicht um die dreißig. Meinem Gefühl nach war er nicht größer als ich; ich bin hundertvierundsiebzig Zentimeter groß.
Meiner Einschätzung nach haben uns die Leute überfallen, die auch schon in der Nacht zuvor mit Lampen an unser Zelt geleuchtet haben. Vielleicht sind sie uns gefolgt. Ich meine aber auch, dass der Täter anfänglich gar nicht die Absicht hatte zu schießen.
Die schlimmsten Verbrechen sollen laut Auskunft des deutschen Konsulats in Cuzco von Armeeangehörigen und der Polizei selbst begangen werden.«
Kriminalhauptkommissarin Iris von Ohain beschlich bei dieser Aussage des sehr schüchtern, aber intelligent wirkenden jungen Witwers ein ungutes Gefühl. Die Vorstellung, dass ein Räuber die Frau erschoss und den Mann leben ließ, war
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