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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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außerhalb des Gefängnisses zu Eingekerkerten – in ihrer völlig abwegigen Vorstellungswelt und im steten Wissen, dass sie wirklich Bestien sind.
    Diese Erkenntnis ist nicht neu und deckt sich mit der Urteilsbegründung zum Fall Bartsch aus dem Jahr 1971, in der es heißt, dass der Angeklagte zwar sehr wohl moralische Grenzen besaß, diese aber von seinem Zwang überwunden wurden, ohne dass er dagegen etwas tun konnte.
    Noch einmal: Diese Beschreibungen sind und waren auch damals keine Entschuldigung für die Taten. Es spiegelt sichdarin aber die Einsicht, dass wir gesellschaftlich und medizinisch nicht so weit sind, wie wir manchmal glauben. Denn solange wir noch nicht einmal die extremen Ausformungen menschlichen Verhaltens begreifen können, sollten wir bescheiden bleiben und an die Stelle von wüsten Verwünschungen gegen die Täter lieber vernunftgeleitete Forschung setzen. Denn nicht Todesstrafen, sondern Beweise und Begreifen können verhindern, dass der nächste paraphile Täter unseren Glauben an das Gute und Schöne erneut erschüttert.
    Interview mit zwei Kollegen, die mit mir in den Gefängnissen waren, in denen Garavito einsitzt
    Miguel Rodriguez arbeitet als Sozialrichter in Köln. Im Jahr 2002 begleitete er mich bei einem Besuch bei Luis Alfredo Garavito in dessen erstem Gefängnis in Villavicencio.
    Benecke:
Wie war dein erster Eindruck von Garavito?
    Rodriguez:
Um ehrlich zu sein: Ich habe zuerst gedacht, er sei der Direktor des Gefängnisses oder zumindest eine Person mit Leitungsfunktion, die uns dort begrüßen sollte. Sein Auftreten war souverän und freundlich, als er auf uns zukam und uns die Hand gab. Er ging mit dem Wachpersonal um, als seien es seine Mitarbeiter, und die spielten mit beziehungsweise ordneten sich seiner Autorität und Ausstrahlung unter. Das war schon ein beeindruckendes und zunächst etwas verwirrendes Schauspiel.
    Benecke:
Was für ein Gefühl war es, in einem Käfig mit einem pädophilen Sadisten eingesperrt zu arbeiten?
    Rodriguez:
So habe ich das nie empfunden. Unser Ziel war es, etwas über diesen Menschen zu erfahren. Dazu muss man ihm unbefangen begegnen, sich in gewisser Weise auf ihn einlassen und vor allem zuhören können. Ich habe während der Gespräche nur den Menschen Garavitogesehen, nicht seine Taten und seine Grausamkeit. Dieser Mensch hat zunächst nichts Unheimliches. Er wirkt wie der liebe Nachbar, dem man seine Kinder anvertrauen würde, wenn man zum Einkaufen geht.
    Benecke:
Es ist ja nun schon fünf Jahre her, dass du mit mir in Kolumbien warst – welches Erlebnis fällt dir als Erstes ein, wenn du zurückdenkst?
    Rodriguez:
Als Erstes erinnere ich mich an die Ankunft auf dem kleinen Flugplatz von Villavicencio. Es war sehr schwül, das Flughafengebäude nicht mehr als eine Hütte, und überall standen junge Soldaten mit Maschinenpistolen. Die Gesamtatmosphäre dort, wir zwei als einzige Europäer am Rande des Guerillagebiets, fand ich schon recht unheimlich und bedrohlich. Dagegen hatte man im Gefängnis bei Garavito fast schon ein angenehmes Gefühl von Sicherheit.
    Benecke:
Hast du aus dem Fall etwas für deine jetzige Arbeit als Sozialrichter gelernt?
    Rodriguez:
Ja und nein. Unbefangenheit ist für einen Richter wohl die wichtigste Eigenschaft, egal, welches Gebiet er bearbeitet. Zwar habe ich Unbefangenheit nicht erst durch Garavito gelernt, aber ich habe durch die Arbeit mit ihm festgestellt, dass ich selbst in einem solchen Extremfall in der Lage bin, nur den Fall und den Menschen zu sehen und etwaige persönliche Empfindungen oder Abscheu außen vor zu lassen. Insoweit hat mich der Fall Garavito jedenfalls darin bestärkt, mir den richtigen Beruf ausgesucht zu haben.
    Benecke:
Zuletzt – hat die Begegnung mit einem Serientäter dein Leben verändert?
    Rodriguez:
Die Begegnung mit Garavito war eine wichtige Erfahrung. Sie hat mir vor Augen geführt, wie leicht man sich in Menschen täuschen kann und wie nutzlos undauch gefährlich Vorurteile sind. Niemand wirkt harmloser und vertrauenerweckender als Garavito. Und dennoch ist wohl kaum jemals jemand derart grausam und brutal mit anderen Menschen umgegangen. Man muss sorgsam sein mit seiner Meinungsbildung und besonders mit der Einschätzung anderer Menschen.
    ∗ ∗ ∗
    Claudia Zapata hat einen australischen und einen kolumbianischen Pass. Sie arbeitet derzeit als Molekularbiologin an der University of Queensland in Brisbane. Im Jahr 2004 begleitete sie mich nach Calarcá in der

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