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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Urteilsbegründung aus dem Jahr 2004 hat das Gericht ausdrücklich festgestellt, dass Brandes der Tötung zugestimmt hat. Dennoch hat es eine Tötung auf Verlangen verneint. Um diese ungewöhnliche rechtliche Bewertung zu verstehen, muss man die zugrunde liegende Gedankenfolge kriminalistisch in vier Schichten zerlegen:
    – Rechtsmedizinisch wurde geprüft, ob dem noch lebenden Opfer tödliche Wunden zugefügt wurden oder ob Brandes beim Zerschneiden bereits verstorben war. Das sollte grundsätzlich entscheiden, ob es sich überhaupt um ein Tötungsdelikt handelt.
    Da Brandes, wie auch auf dem Videoband der Tat erkennbar ist, am Morgen des 10. März 2001 trotz der Einnahme von überdosierten Schlafmitteln noch lebte, als er die tödlichen Verletzungen erfuhr, liegt ein Tötungsdelikt vor.
    – Das Opfer hatte zuvor eindeutig und über längere Zeit den Wunsch nach einer Schlachtung glaubhaft vorgetragen. Darum sah das Gericht Brandes’ »formales Einverständnis« in die Tötung als gegeben an. »Brandes wollte die Zähne spüren. Er sah dies als finalen Akt an; der Rest war ihm egal«, sagte Richter Volker Mütze dazu.
    – Bei einer Tötung auf Verlangen muss das »ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung« (Gesetzestext) vorliegen. Dieses Verlangen wurde vom Gericht bejaht. Dem Publikum drängte sich nun die bange Frage auf, ob dadurch Straffreiheit entstünde.
    Entgegen der allgemein verbreiteten Meinung ist eine Tötung auf Verlangen mit Strafe bedroht. Der gesellschaftliche Grund dafür ist, dass es unmöglich bleiben soll, auf ein Menschenrecht – hier: das Leben – zu verzichten. Zwar ist die Strafandrohung gegenüber Mord und Totschlag gesenkt, liegt aber immer noch bei einem Freiheitsentzug zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.
    – Das Gericht schloss eine Tötung auf Verlangen aber dennoch aus, weil Meiwes die Wünsche und Motive des Opfers egal waren. Er habe mit der Schlachtung nur eigensüchtig seine persönlichen Ziele verfolgt und nicht in erster Linie die Wünsche des Opfers umgesetzt. »Es war Meiwes’ sehnlichster Wunsch, jemanden zu schlachten und zu essen. Das war sein vorherrschender Grund«, so Richter Mütze. Die eigentliche Tötung habe Meiwes allerdings »nicht gern«, sondern nur als notwendige Voraussetzung zur eigentlichen Schlachtung begangen.
    – Nach Ausschluss einer Tötung auf Verlangen konnte es sich rechtlich nur noch um Mord oder Totschlag handeln. Am 31. Januar 2004 entschied das Landgericht Kassel auf Totschlag, da keine Mordmerkmale gegeben seien – weder Heimtücke noch grausame Begehungsart, weder Verdeckung noch Ermöglichen einer anderen Straftat und auch keine Habgier, Befriedigung des Geschlechtstriebs oder »sonstige niedrige Beweggründe«.
    Diese für Laien schwer nachvollziehbare Entscheidung begründete das Gericht damit, dass es sich um eine Tat handle, »deren Motive und Hintergründe sich nicht ohne Weiteres erschließen« und die rechtlich noch nie bewertet wurde. So habe Meiwes beispielsweise nicht verächtlich gegen das Opfer gehandelt, da er »ja einen liebenswerten Menschen in sich aufnehmen wollte«. Ein Handeln auf niedrigster Stufe liege nicht vor. – Ein liebevoller Totschlag also.
Reaktionen der Subkultur
    Selbst in liberalen Publikationen wurde die Verneinung der Mordmerkmale mit Kopfschütteln aufgenommen. Hier ein Beispiel aus der Onlineplattform »Braveboy – Deine schwule Jugendcommunity« vom 31. Januar 2004:
    »Sollte es kein niedriger Beweggrund sein, wenn man einen anderen tötet, um ihn hinterher zu zerlegen und sein Fleisch zu essen? Wenn es verwerflich ist, jemanden aus sexueller Lust zu töten, sollte es dann weniger verwerflich sein, ihn zum kulinarischen Genuss abzuschlachten? So wie Armin Meiwes, während er ›in seine Tätigkeit versunken wie ein Kind im Sandkasten‹ vor sich hin brabbelte: ›Der Nächste muss jünger sein und nicht so fett‹ oder ›Wenn du zäh bist, mein Lieber, dann machen wir Frikadellen aus dir‹ oder wie er von dem ›Hochgenuss‹ schwärmte, das lecker zubereitete Menschenfleisch mit einem guten Rotwein an festlich gedeckter Tafel zu genießen.«
Kriminalistische und soziale Bewertung
    Bei den modernen Fällen von Kannibalismus, die zwar selten, aber regelmäßig beobachtet werden (vgl. den Fall Denke in meinem Buch
Mordmethoden
, S. 302–324, und Issei, im vorliegenden Buch S.  13 – 15 ), handelte es sich bislang immer um Mord. Die Taten fanden zuvor

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