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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Freund, der Journalist Paul Moor, sie für »gluckenhaft und gefühlskalt« hielt. Sicher ist, dass Frau Bartsch in der Metzgerei, die sie mit ihrem Mann betrieb, hart arbeitete, was in einem kleinen Familienbetrieb aber normal ist. Sicher ist auch, dass sie den Sohn schlug und übertrieben zur Sauberkeit anhielt, was damals zwar ebenfalls nicht unüblich war, aber durch Frau Bartschs Ekel vor Unreinheit noch gesteigert wurde.
    Weil Frau Bartsch verhindern wollte, dass die uneheliche Herkunft ihres Adoptivsohnes bekannt wurde, schirmte sieihn stark von anderen Kindern ab und hatte bis zuletzt Vorsorge getroffen, dass ihr Sohn nachts nicht herumstromern konnte: Er musste im Schlafanzug mit den Eltern fernsehen und dann ins Bett gehen; seine Tageskleidung lag anderswo in der Wohnung. Bartsch war aber klug genug, sich Reservekleidung in einer Betonröhre am Haus bereitzulegen.
    Abb. 31: In der Psychiatrie erhielt Bartsch recht großzügig Illusionstricks, Zeitschriften und Krimis, die ihm seine Adoptivmutter und seine Tante sandten. (Repro: M. Benecke)
    Bartschs Adoptivvater Gerhard spielte in dem gesamten Verfahren kaum eine Rolle. Er ließ die Taten seines Sohnes nie ganz an sich heran und konzentrierte sich vor allem auf die Metzgerei. Bezeichnend war seine Anfrage bei Gericht, ob er wirklich eine Aussage machen müsse, da er an dem betreffenden Tag sein Geschäft schließen müsse. In der zweiten Verhandlung sagte er zwar offen und selbstkritisch aus, belastete aber auch seine Frau. »Sie wollte eine Puppe haben, kein Kind«, erklärte er dem Richter.
    Im Gefängnis und später in der Psychiatrie kümmerten sich vor allem seine Adoptivmutter und seine Tante um Bartsch. Das Gericht war recht großzügig und erlaubte den beiden Damen, »ihren« Jürgen mit Krimis, Micky-Maus-Heften und kleinen Zaubertricks sowie der Zeitschrift für Illusionskunst
Magische Welt
zu versorgen. Bartsch war seit Oktober 1965 auch Mitglied im Magischen Zirkel. Er wurde aber ausgeschlossen, als seine Taten bekannt wurden.
    Die Zauberkunststücke Bartschs sind im Nachhinein recht interessant. Es handelt sich dabei oft um mentale und um Kartentricks sowie sogenannte Selbstläufer. Diese Tricks funktionieren auch ohne große Begabung und verblüffen immer, weil das Trickprinzip nicht zu erkennen ist. Mehrere der Kunststücke erforderten allerdings Übung und Merkvermögen, wie beispielsweise der Q.E.D.-Zylinder, mit dem man laut Anleitung »jeden Wochentag vom Jahr 1900 bis 1999 schnell und zuverlässig berechnen« kann. Solche Tricks zu lernen war für Bartsch kein Problem: Er hatte einen Intelligenzquotienten von 107, obwohl er nur ein mittelmäßiger Schüler war.
    Abb. 32 a: In der Psychiatrie zauberte Bartsch weiter – mit sogenannten Selbstläufertricks. (Quelle:
Westfälische Rundschau
, Dortmund, 22.11.1969)
    Abb. 32 b: Einer der Tricks, die Jürgen Bartsch in der Psychiatrie erlernte. Der Zylinder erlaubt die Vorhersage aller Wochentage aus der bloßen Angabe des Datums. Bartsch war ein beliebter Insasse und wurde in der Psychiatrie in Eickelborn zum Patientensprecher gewählt. (Foto: M. Benecke)
    Dass er Illusionstricks so mochte, mag daran liegen, dass Bartsch als Kind kaum Kontakt zu Gleichaltrigen hatte und vielleicht davon träumte, mit den Kunststücken ein wenig Aufmerksamkeit und auch Überlegenheit zu gewinnen. Das gelang ihm aber nicht, denn einen der wenigen Jungen, mit denen sich Bartsch anfreundete, verprügelte er bei gemeinsamen Sexspielchen so sehr, dass dies ihre Freundschaft überschattete. Bartsch konnte sich in solchen Momenten selbst nicht erklären, was über ihn gekommen war.
Mutter Bartsch
    Während der Zusammenarbeit mit seinem Verteidiger Rolf Bossi veränderte sich Bartschs bis dahin freundliche Haltung gegenüber seiner Mutter. Er berichtete, dass sie im Laden einmal ein Messer nach ihm geworfen hätte – in einer Metzgerei sicher ein eindrückliches Erlebnis. Zudem gab er an, dass seine Eltern niemals mit ihm gespielt hätten, weil sie im Laden so beschäftigt waren.
    Stattdessen wurde er auf Ordnung gedrillt. Seine Kleidung musste Bartsch penibel falten, und bis zu seiner Verhaftung wurde er noch von seiner Mutter gebadet. Es ist aus heutiger Sicht schwer zu entscheiden, was davon schlicht den biederen Geist der 1960er-Jahre widerspiegelt. Tatsache ist, dass Bartsch immer dem typischen Bild des sehr stark an seine Umgebung angepassten, äußerst stillen Jungen entsprach, dem niemand etwas Böses

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