Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsschnellweg: Kriminalstorys

Mordsschnellweg: Kriminalstorys

Titel: Mordsschnellweg: Kriminalstorys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Ard , Reinhard Junge
Vom Netzwerk:
in die Bütt gegangen, konnte ich da zum spanischen Rioja greifen?
    An der Fleischtheke zitterten meine Hände. Ich hatte industrielle Geflügelhaltung angeprangert, aber in einer Umfrage Hähnchen zu meiner Lieblingsspeise erklärt. Frustriert und mit leerer Einkaufstasche verließ ich den Laden.
    Vor jeder Willensbekundung fing mein Kreislauf an zu flattern, der Blutdruck stieg, ein Adrenalinstoß nahm mir die Sinne. Mein Körper wurde eine Hülle, die nur dazu diente, mit meinen Innereien nicht die Straße zu versauen, mein Kopf diente als eine Kruste, damit der Regen mein Hirn nicht unter Wasser setzte. Wer bin ich? Was will ich?
    Ich begann den Tag zu verfluchen, an dem ich Damilow zum ersten Mal über den Weg gelaufen war.
    So viel zur Vorgeschichte – und jetzt kommt der Kernpunkt meines Schreibens. Am Tag vor der Wetten, dass ..? -Sendung kam Damilow in mein Büro. Er hatte den Job gewechselt, war Promotiondirektor beim Plattenkonzern EMO und hatte einen Spezialauftrag für mich.

    Der ausgemusterte Schlagersänger Rainer König sollte am nächsten Tag seinen Wechsel zur EMO bekannt geben. Die Vertragsunterzeichnung war für den Vormittag vorgesehen. Der Auftrag lautete: Während der Livesendung, in der König drei Lieder singen wollte, sollte das Comeback des Herzensbrechers durchgesetzt werden.

    Eine leichte Aufgabe, die ich nicht zum ersten Mal erfolgreich gemeistert hätte: Applaus forcieren, Blumen auf die Bühne werfen, Zugabe-Rufe und so weiter.
    Aber diesmal nicht. Ich sagte Nein zu dem Job. Ich wollte nicht mehr. Lieber von Hartz IV leben, als in der Klapse enden.

    Damilow grinste, als hätte er auf diese Weigerung gewartet, und machte mir ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Für das vierstellige Honorar wäre ich eine Zeit lang ohne Sorgen.

     
    Am Nachmittag des nächsten Tages unternahm ich erst einen ausgiebigen Spaziergang an der Ruhr, um zur Ruhe zu kommen. Dann bestieg ich den Bus und fuhr zu meinem nächsten Job, der mein letzter werden sollte. Zur Grugahalle.

    Als ich mich in die Schlange der Wartenden einreihte, war ich topfit. Ich bestach den Saalordner und bekam einen Platz in der ersten Reihe. Bei Königs Eröffnungslied klatschte ich laut mit, der Saal kam in Schwung. Nach dem letzten Takt schickte ich drei Frauen mit Blumen auf die Bühne. König war gerührt, der Saal raste. Auftrag erfüllt.
    Gottschalk präsentierte anschließend einen Kandidaten, der mit fünfundzwanzig Messerwürfen aus dreißig Metern die unverwechselbaren Porträts bekannter deutscher Politiker skizzieren wollte.

    Damilow zerrte mich aus der Reihe. Wütend fragte er mich, ob ich seine Nachricht nicht erhalten hätte. Er habe den Auftrag geändert. König hatte maßlose Geldforderungen präsentiert und den Vertrag nicht unterschrieben. Der neue Auftrag lautete, den Sänger so fertigzumachen, dass er auf den Brustwarzen angekrochen käme und um einen Vertrag bettelte.

    Damilow forderte mich auf, den Auftrag umgehend auszuführen, sonst könne ich mein Honorar vergessen. Also nahm ich meinen Notfallkoffer mit Ersatzkleidung, Haartoupets, falschen Bärten und faulen Eiern und verschwand kurz auf der Toilette. Als ich zurückkehrte, scheiterte der Messerwerfer gerade beim Versuch, Westerwelle mit Messern zu skizzieren.
    Dann war König wieder an der Reihe und gab sein Bestes. Ich auch. Direkt aus der ersten Reihe fiel ich ihm beim Refrain lautstark ins Wort. »Der hat den Text von Freddy Quinn geklaut!«, schrie ich. Und forderte: »Schmeißt den abgetakelten Opi raus!«
    König kam ins Schwitzen und blickte mich unsicher an. Ich zog Fratzen und biss in eine Zitrone, sodass er den Ton nicht halten konnte. Das folgende Pfeifkonzert brauchte ich gar nicht mehr anzuheizen, das kam von allein. König kroch mit knallrotem Kopf hinter die Bühne.

    Ich glaube, dieser Einsatz war der Höhepunkt meiner beruflichen Laufbahn.
    Während Gottschalk irgendeiner aufgetakelten Blondine ans Knie fasste und seine Altherrenwitze riss, winkte mich Damilow backstage. Er präsentierte mir den von König unterschriebenen Vertrag. »Wunderbar gemacht!«
    Was sich danach abspielte, vermag ich nur ungefähr wiederzugeben. Damilow bestand darauf, den schlechten Ruf seines neu verpflichteten Stars nun wieder ins Positive zu wandeln. Ich sollte unverzüglich mit der Arbeit beginnen. Er habe mich zu dem gemacht, was ich jetzt sei. Ich sei ihm zu Dank verpflichtet. Das Honorar würde erst gezahlt, wenn König mit Standing Ovations

Weitere Kostenlose Bücher