Mordsschnellweg: Kriminalstorys
einhundertfünf Tonnen. Es ist achtunddreißig Meter lang und fünf Meter zwanzig breit. Habt ihr das gewusst?«
Philip Kroll und Klaus Drewniak starrten zuerst Werner Mürrmann an und dann weiter in ihre halb leeren Gläser. Sie hatten sich entschieden, dem Lehrer bei ihrem Bootsausflug von Kupferdreh bis zum Wasserbahnhof in Mülheim nicht zu antworten, denn jede Nachfrage wurde mit einem weiteren Kurzreferat bestraft. Die kleine Wasserreise führte nach der Schleusenfahrt in Baldeney und Kettwig in ein Gebiet, in dem das Ruhrtal breiter und der Fluss teilweise von Deichen begrenzt wurde, hinter denen sich weite Wiesen ausdehnten.
Für die Schreber stand heute das Chocolate-Special auf dem Programm. Die Aussicht, heiße Schokolade in Form von Gesichts- und Körpermassagen verpasst zu kriegen, hatte die männliche Fraktion dazu bewogen, aus dem Hotel zu fliehen und eine Schiffstour zu buchen.
Jutta Röttger hatte Struck, der heute seinen freien Tag hatte, dazu überredet, sie bei der Tour zu begleiten. Doch der machte schon kurz nach dem Ablegen nicht für sie den Liebeskasper, sondern für zwei braun gebrannte Blondinen aus Düsseldorf, die am Abend zuvor im Carolina eingezogen waren. Seitdem schmollte sie und ertränkte ihren Frust im Jägermeister.
»Habe ich doch gleich gesagt«, raunte Drewniak Philip Kroll zu, als Struck einer der Blondinen eine Strähne hinters Ohr strich. »Der vernascht erst die Jutta und sucht sich dann ein paar neue Opfer.«
»Düsseldorferinnen«, schmatzte Philip Kroll verächtlich, als ein paar Wortfetzen herüberwehten.
»Verstehe ich nicht«, meinte Werner Mürrmann. »Ich dachte, der meint es ehrlich mit Jutta. Vorhin hat sie mir noch erzählt, er wolle nach Dortmund ziehen.«
»Der?«, fragte Philip Kroll. »Der passt wirklich nicht zu uns.«
Rechtzeitig zum Abendessen war die Schiffsbesatzung wieder im Hotel. Es war ein wunderschöner Abend, wie Horst Lewandowski später auf den Farbdias beweisen konnte: Blende 4,8, 1/125 Sekunde, 100 ASA. Die Sonne ging als roter Ball unter, die Fichten warfen lange Schatten und das Wasser des Sees leuchtete geheimnisvoll. Alles war wie auf der Panoramatapete im Vereinsheim.
Nur eines passte nicht: Juttas Heulen.
3
»Ach, ist das schööön!«
Trude Farle riss die Balkontür auf und reckte sich. Blauer Himmel und weiße Wölkchen spiegelten sich im Baldeneysee, dessen Wellen die Uferbefestigung vor dem Carolina-Hotel mit sanften Küssen verwöhnten.
»Wirklich schööön«, seufzte Trude Farle ein zweites Mal, schob ihre Kompaktfigur auf den Balkon und lugte über die mit Handtüchern gespickte Brüstung. Am Pool pumpte Armin Struck seine obligaten Liegestütze und lächelte dabei zu den Campingstühlen herüber. Ein schlanker, braun gebrannter Körper löste sich aus dem Schatten der Sonnenschirme.
»Erwin, komma!«, zischte Trude Farle.
Die junge Frau küsste Struck auf die Stirn und kletterte dann auf seinen Rücken. Die Arme des Masseurs hielten die Last nicht aus. Er landete auf dem Bauch und rollte sich herum, um die Reiterin ins Wasser zu werfen. Das Platschen und das Gekreische trafen Trude Farle wie eine kalte Dusche.
»Willse etwa bis Mittach liegen bleiben?«, keifte sie, ohne den Pool aus den Augen zu lassen. Meister Farle wusste, wie die rhetorischen Fragen seiner Gattin gemeint waren, und wälzte sich aus dem Bett. Mühevoll rollte sich seine Regentonnenfigur heran: »Was ist denn jetzt schon wieder?«
Die Morgensonne blendete ihn und er schirmte die Augen mit seinen spatengroßen Händen ab. »Donner auch!«, rief er und sah genauer hin: Struck lag auf dem Rücken, hatte die Arme ausgebreitet und doch keinen mehr frei: Auf jeder Seite kuschelte sich eine der Düsseldorferinnen an ihn heran.
»Mehr hasse dazu nicht zu sagen?«, schimpfte Trude Farle. »Ach Gott, die arme Jutta!«
»Der glückliche Armin!«
»Erwin!« Die Gattin fuhr herum und blickte Farle fest in die Augen. »Das kannst du doch nicht einfach so mit ansehen. Da musst du doch watt tun!«
»Ich?«
»Klar doch. Jutta ist unsere Gartennachbarin, du bist im Vereinsvorstand …«
»Schatzmeister!«
»Eben! Da kannst du dich doch nicht ausse Verantwortung stehlen!«
»Was für eine Verantwortung?«
»Seid ihr nicht für unser Wohlergehen verantwortlich? Kannst du zusehen, wie ein Vereinsmitglied so behandelt wird? Schließlich geht es um die Ehre von uns allen!«
Farle stöhnte. Wenn es um die Vereinsehre ging, kannten die Frauen
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