Mordsschnellweg: Kriminalstorys
verabschiedet würde.
In diesem Moment muss aus mir herausgebrochen sein, was sich an Zerrissenheit und Aggressivität bisher in mir angesammelt hatte. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie ich an das Messer gekommen bin – vermutlich hatte es der gescheiterte Messerwerfer verloren oder weggeschmissen. Aber plötzlich war es vor meinen Augen – und was dann kam, entzog sich meiner Kontrolle.
So war’s – und nicht anders. Ich versichere Ihnen, dass ich die Tat weder geplant noch in vollem Bewusstsein ausgeführt habe.
Hochachtungsvoll
Siegfried Probst
Untersuchungsgefangener
JVA Essen
Dieses Geständnis lag in den Ermittlungsakten und wurde dem Autor von einem Informanten zugespielt. Interessant ist die handschriftliche Notiz des Hauptkommissars Wulff. Sie lautet:
Weiterleitung an den Staatsanwalt. Ich empfehle Einstellung des Verfahrens, stattdessen Aufnahme des Herrn Probst in den Polizeidienst, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Presse.
Leo P. Ard: Der Tote vom Baldeneysee
Der Mörder ist immer der Gärtner − Teil 2
1
»Ach, ist das schööön!«
Trude Farle, 47, Ehefrau des Dortmunder Fleischermeisters Erwin Farle, 52 und zurzeit schnarchend, riss die Balkontür auf und reckte sich. Blauer Himmel und weiße Wölkchen spiegelten sich im Baldeneysee, dessen Wellen die Uferbefestigung vor dem Carolina-Hotel mit sanften Küssen verwöhnten.
Es war Ende August. Im Pool tummelten sich die ersten Gäste. Trude Farle zog sich ein wenig in den Schatten zurück – nicht etwa, um ihre erschlafften Brüste vor fremden Blicken zu schützen, sondern um das Treiben der Frühaufsteher am Wasser unbemerkt beobachten zu können.
Gerade kletterte eine junge Frau aus dem Becken und ging mit leichten Schritten auf die Liegestühle zu. Dabei drehte sie der Observiererin den Rücken zu, sodass Trude Farle Gelegenheit hatte, den Minitanga der Sportlerin von seiner besten Seite zu bewundern. Jemand warf der Tangafrau ein Badelaken zu.
Trude Farle duckte sich, um den edlen Spender unter dem großen Sonnenschirm identifizieren zu können. Dann breitete sich ein triumphierendes Grinsen auf ihren Pausbacken aus und sie trat den Rückzug an.
»Hör mal, Vatter, zwischen dem Struck und der Jutta – da tut sich was!«
Der Mann im Bett wälzte sich auf die andere Seite und gähnte. Das veranlasste seine Gattin, sofort wieder den gewohnten Feldwebelton einzuschalten: »Willse nich endlich aufstehn?«
Es wirkte. Erwin Farle übte Gehorsam. Er quoll aus dem Bett, wartete, bis sich sein Kreislauf stabilisiert hatte, und schleppte sich ins Bad. Geräuschvoll ließ er sein Wasser und einige böse Winde ab.
Seine Gattin seufzte und streifte sich das T-Shirt mit der Spielernummer von Mario Gomez über, das sie schon vor dem Ende der Europameisterschaft zum Sonderpreis in einem Dortmunder Kaufhaus erstanden hatte. Gespannt kehrte sie auf ihre Aussichtsplattform zurück.
Armin Struck hatte den Schutz des Sonnenschirms verlassen und übte Liegestütze. Fünfundzwanzigmal ließ er seine Muskeln spielen und stemmte seine achtzig Kilo dann so leicht hoch, als würde er ein paar Strohhalme wuchten. Lässig schüttelte er seine langen, blonden Haare und schlackerte mit den Armen. Die Tangafrau schickte ihm von ihrem Liegestuhl aus zur Belohnung eine Kusshand hinüber.
Trude Farle wusste nicht, ob sie empört oder amüsiert sein sollte. Immerhin hätte Struck mit seinem Standardlächeln ohne Probleme bei einer Dauerwerbesendung anfangen können – genau die Sorte Mann, bei der Mütter nicht wissen, ob sie die Türen ihrer Töchter von innen oder von außen verriegeln sollen.
Armin Struck, gebürtiger Düsseldorfer, war seit drei Jahren Masseur im Carolina-Hotel: abgebrochenes Studium der Betriebswirtschaft, Animateur auf Gran Canaria und Ibiza, erfolgreicher Absolvent eines Wochenendseminars über Hot-Stone-Massage Scen Tao. Je jünger die weiblichen Singles unter seinen Händen waren, desto traumhafter konnte er sich ins Zeug legen.
»Und er ist doch ein toller Mann!«, entschied sich Trude Farle.
»Wer?«
Trudchen warf ihrem Gatten einen genervten Blick zu. Der Fleischermeister hockte nun auf der Bettkante und versuchte, seinen Bauch in eine viel zu enge Unterhose zu zwängen. Er tat das mit der Geschicklichkeit einer Schildkröte, die man auf den Rücken gewälzt hatte.
»Du nicht!«, fauchte sie. »Aber er und Jutta – die könnten ein schönes Paar werden.«
»Von wem redest du eigentlich?«, fragte
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