Mordsschnellweg: Kriminalstorys
Metzger Farle endlich.
»Von Struck.«
»Die beiden? Nee!«
»Und ob«, beharrte Trude. »Da ist seit gestern was im Busch. Glaub’s mir …«
»Du hörst mal wieder die Flöhe husten.«
»Und Jutta keuchen!«
»Wie bitte?«
Farle musterte seine Gattin: »Hast du etwa dein Ohr an der Tür gehabt?«
Seine aktivere Hälfte überhörte diese Frage und wandte sich wieder ganz dem Geschehen am Pool zu. Die Tangafrau hatte sich inzwischen erhoben und sammelte ihre Badesachen ein. Sie tat es langsam genug, damit Struck sie von allen Seiten bewundern konnte.
Auch Farle trat jetzt auf den Balkon und genoss die Aussicht. Jutta Röttger war einunddreißig, Sparkassenangestellte und Witwe. Zusammen mit ihrem Mann Stefan hatte sie vor Jahren die Nachbarparzelle im Zum tollen Bomberg bezogen und ihre nächtlichen Rammeleien hatte die halbe Kolonie mitbekommen. Aber seit Stefan Röttger bei einem wilden Motorradrennen die letzte Kurve unterhalb der Hohen-syburg etwas zu schnell in Angriff genommen hatte, waren die Nächte im Bomberg wieder ruhiger geworden.
Anscheinend war das Trauerjahr vorbei – und es wäre, fand Farle, wirklich schade, bliebe eine solche Frau auf Dauer ungeküsst.
Als Jutta Röttger den Fleischermeister auf dem Balkon entdeckte, winkte sie ihm freundlich zu und ordnete demonstrativ ihren prallen Busen in dem viel zu engen Behälter. Farle antwortete ohne Verzug.
Nebenan knarrte eine Balkontür. Ein Bademantel mit Kopf schob sich ans Tageslicht. Und der Kopf sagte: »Morgen, Erwin!«
Die Stimme verriet deutlich, dass ihr Besitzer an einem stattlichen Kater litt, aber Farle hatte mit der Identifizierung keine Probleme: Fritz Schnell, ziemlich lang und so mager, dass man sich fragen musste, wie er mehrere Jahrzehnte am Hochofen durchgehalten hatte.
»Moin, Fritz. Schöner Tach heute, was?«
»Jau. Watt machse da?«
»Die Blümkes pflegen …«
»Anthurium scherzerianum?«
»Stimmt.«
»Kein Wasser?«
»Nee. Blattläuse.«
Vierhändig wühlten die beiden Männer in den Blüten herum und schüttelten seufzend ihre Köpfe. Schließlich meinte Schnell: »Musse …«
»Weiß ich …«
Die Sachkunde der beiden ungleichen Männer kam nicht von ungefähr. Sie und ein knappes Dutzend anderer Hotelgäste waren ein halbes Leben lang stolze Angehörige des Kleingartenvereins Zum tollen Bomberg e. V. , dessen Parzellen auf einem der schönsten Gebiete zwischen Hörde und Wellinghofen lagen. Sie hatten stets ihr Bestes getan, um das Ansehen des 1861 verstorbenen Leipziger Arztes Dr. Daniel Gottlob Moritz Schreber nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Dass Schrebergärtner zusammenhielten, war sicher keine Ausnahme. Dass aber fast die gesamte Kolonie ihre Dortmunder Gärten im Stich ließ und sich für ein verlängertes Wochenende in einem Nobelhotel in der Fremde einnistete, war schon ungewöhnlich. Dass ihr Reiseziel aber nicht an Rhein oder Mosel lag, sondern in Essen, galt als eine Sensation, über die sogar ein Anzeigenfriedhof namens Südkurier berichtet hatte.
Bezahlt hatte die gesamte Reise ein Toter: Gartenfreund Heinz Drahle, der vor nicht allzu langer Zeit unter spektakulären Umständen verstorben war. Kinderlos ins ewige Erdbeerbeet verzogen, hatte Drahle sein bescheidenes Vermögen dem Verein vermacht – mit der Auflage, das Geld auf einer gemeinsamen Urlaubsreise zu verprassen.
Nachdem sich die Schrebergärtner von ihrer Überraschung erholt hatten, war lange und äußerst kontrovers diskutiert worden. Zuerst galt Mallorca als Favorit, bis sich Edeltraut Dröse zu ihrer Flugangst bekannte und das Lehrerehepaar Mürrmann ideologische Bedenken gegen die Fliegerei vortrug. Eine Busfahrt an die Mosel kam nicht infrage, weil sich alle daran erinnerten, wie Philip Kroll bei einem Busausflug ins Münsterland den Gang vollgekotzt hatte. Eine Zugreise nach Hamburg war kurz in Erwägung gezogen worden, aber Horst und Else Lewandowski wollten keineswegs auf ihren Anteil am Erbe verzichten. Sie mussten sich täglich um Elses Schwester Elsbeth kümmern, die in einem Dattelner Krankenhaus auf den Abgang aus ihrem Kassenpatientenleben wartete.
So einigte man sich schließlich darauf, dass das Urlaubsziel zwar exotisch, aber im Streckennetz Rhein-Ruhr liegen sollte.
Farle und Schnell hatten eine ›ultimative Kultur-Rund reise‹ ausgearbeitet. Doch der geplante Besuch von sechzehn Bierstuben und Brauhäusern in drei Tagen, von der Privatbrauerei Moritz Fiege in Bochum bis zum Brauhaus
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