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Mordsschnellweg: Kriminalstorys

Mordsschnellweg: Kriminalstorys

Titel: Mordsschnellweg: Kriminalstorys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Ard , Reinhard Junge
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Vorsitzende des Lehrerrates hob die Hand: »Mir will scheinen, dass es angesichts des betrüblichen Umstands, dass ein von allen geschätzter Kollege seinen letzten Weg angetreten ist, eine Frage des Anstands und der Pietät wäre, wenn wir alle uns zuerst zu eine r Mi nute stillen Gedenkens …«

    »Die Totenfeier findet auf dem Friedhof statt, liebe Frau Brockhaus«, unterbrach der Chef die alte Dame und richtete sich demonstrativ zu voller Größe auf. »Zuerst sollten wir doch klären, wie wir das Loch, das Herr Sommer im Stundenplan hinterlässt …«
    Zwei Finger stachen in die Luft – die tödliche Waffe des Vorsitzenden der Fachkonferenz Sozialwissenschaften. Anträ ge zur Geschäftsordnung waren seine Paradedisziplin, seit er im Mai 73 auf einer Studentenvollversammlung in Frankfurt Cohn-Bendits Rekord von 68 gebrochen hatte – und diese Leistung war noch immer gültig.
    »Es macht mich zutiefst betroffen«, bekannte er und ließ zum Beweis dafür die Gläser seiner Eric-Clapton-Brille aufblitzen, »dass wir hier wie Technokraten einfach zur Tagesordnung übergehen sollen. Wir alle haben ein Recht darauf, zunächst über die genauen Umstände …«
    »Herr Kollege Maeder!«, bölkte der Chef. »Sie sollten sich, weiß Gott, Ihren Soziologensermon …«
    Das war Brückens Startsignal: Er stemmte seine einhundert zwanzig Kilo so energisch empor, dass sein Stuhl die Balance und der Chef den Faden verlor, nestelte an der Krawatte, um den Kaffeefleck zu kaschieren, räusperte sich und sprach, wie immer ohne Rücksicht darauf, dass ihm niemand das Wort erteilt hatte.
    »Lieber Herr Uhlmann«, begann er, »so sehr ich Ihre Bedenken gegen das Gewäsch teile, mit dem uns diese angeblichen Soziologen seit mehr als zwanzig Jahren eine Wissenschaftlichkeit vorgaukeln, die sie, bei Lichte und mit gesundem Menschenverstand besehen, nie und nimmer werden nachweisen können, so will doch selbst mir scheinen, dass dies nicht der Ort und die Stunde sein kann, um …«

    Knarzend öffnete sich die Tür. Ein Mittfünfziger betrat die Szene: nicht sehr groß und nicht sehr schlank, grauer Anzug und graue Haare, Beamtengesicht und Kassenbrille, eine Pfeife in der Hand. Bevor jemand feststellen konnte, ob sie wirklich brannte, sprang die Vorsitzende der Fachkonferenz Biologie auf, um den Eindringling auf das Rauchverbot in Dienstgebäuden aufmerksam zu machen. Doch der Chef würgte sie nach dem dritten Wort ab. »Wer sind Sie denn?«, belferte er.
    »Verzeihung«, sagte der Grauhaarige, nickte ihm zu und gönnte sich den Anflug eines Lächelns. »Steigerwald mein Name. Mordkommission …«
    Sechzig Blicke durchsiebten den Leib des Mannes. Dann kam Unruhe auf und pflanzte sich, über alle Gräben hinweg, vom Gewerkschaftstisch bis zu den Mathematikern fort.
    »Meine Damen und Herren!«, übertönte der Chef das Raunen. »Ruhe bitte!«
    Das Kollegium verstummte und Uhlmann nickte zufrieden: »Damit haben Sie, wie ich sehe, das Wichtigste ja schon erfasst. Kollege Sommer wurde ermordet …«
    Ein Eishauch wehte durch den Raum. Die Vorsitzende des Lehrerrats zog fröstelnd ihre Schultern nach vorn, Brücken schüttelte fassungslos seinen mächtigen Schädel und Maeder rieb mit zusammengekniffenen Augen seine Brillengläser blank. Ein Augenblick völliger Stille.
    »Ermordet«, bestätigte der Polizist. »Ihr Hausmeister hat ihn vor einer Stunde gefunden. Im Atombunker Ihrer Schule, bei den Requisiten der Theatergruppe …«

    Erneutes Raunen. Der Kommissar hob den Stiel seiner Pfeife wie einen Rohrstock: »Wir werden Ihnen nachher einige Fragen stellen. Die wichtigste lautet: Wann, wo und mit wem wurde Herr Sommer am Samstag auf dem Schulfest zuletzt gesehen? Darüber können Sie schon mal nachdenken. Aber ich muss Sie bitten, sich nicht darüber zu unterhalten.«

    Maeders Hände stachen zwei Löcher in die Ozonschicht über dem Ruhrpott: »Soll das heißen, dass Sie uns vorschreiben wollen, worüber wir reden dürfen?«
    »Nein«, korrigierte Hauptkommissar Steigerwald und nahm einen Zug aus seiner Pfeife. »Ich schreibe Ihnen vor, den Mund ganz zu halten …«

     
    2

    »Unfassbar!«, behauptete der Schulleiter. Uhlmann saß dem Kommissar gegenüber in dem stickigen Kabuff, das offiziell als kleines Lehrerzimmer galt. Erstens war es sowieso besser, die Leute ohne Zeugen zu vernehmen, zweitens bot sich dem Polizisten hier die Chance, zwischendurch ein Pfeifchen anzuzünden. Ohne Tabak konnte er nicht denken und die

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