Mordsschnellweg: Kriminalstorys
seine Frau.
Bevor Lewandowski antworten konnte, gab es einen ohrenbetäubenden Knall.
Sekundenlang summte es in seinen Ohren, dann hörte er das Prasseln von Splittern auf dem Dach seiner Laube. Nur ein paar Zentimeter vom Liegestuhl entfernt landete ein fingergroßes rotes Etwas.
Ein Teil der Mütze eines Gartenzwerges.
»Kein Bier!«, meinte Lewandowski und lehnte sich zurück. »Mach den Sekt auf!«
Leo P. Ard: Mord im Rathaus
Sie bringen mich um!
Lange habe ich es nicht glauben wollen, aber jetzt bin ich mir sicher: Sie bringen mich um. Und ich habe keine Chance, dem Tod zu entgehen.
Es ist nicht das Alter, keine unheilbare Krankheit, kein Liebeskummer, an dem ich sterben werde, es sind die Langweiler und Ignoranten hinter ihren Schreibtischen, die mir die Luft zum Atmen nehmen. Es ist diese schreckliche Eintönigkeit, dieses monotone Dahinvegetieren, dieser Grauschleier, der bleiern über diesem Büro liegt. Kein Lachen, kein Scherz, keine freundlichen Gesten. Es liegt ein Hauch von Endlosigkeit in der Luft.
Das war nicht immer so. Als ich in dieses Büro kam, war es ein wunderbarer Ort. Da s lag an dem Kollegen Friedrichs. Er hatte mich hierher geholt. Ach, der Kollege Friedrichs …
Immer ein Lächeln auf den Lippen, immer eine Aufmerksamkeit parat. Er hat mir auch hin und wieder ein paar Dienstgeheimnisse anvertraut. Ich war immer auf dem ne uesten Stand – Intrigen, Beförderungskarussell, Affären. Friedrichs wusste, dass er sich auf meine Diskretion verlassen konnte.
Das waren Zeiten! Oft haben wir nach Feierabend noch zusammen einen getrunken, er sein Bierchen, und für mich hatte er immer ein Wasser.
Natürlich haben die Kollegen darüber geredet. Sie haben ihn meinetwegen oft genug gehänselt und ihre dummen Witze über mich gemacht. Besonders der Kollege Schirrmacher. Als ob ich was dafür kann, dass er nicht befördert wurde.
Schirrmacher – dieser überkorrekte, kleinliche Pedant. Aber einmal im Jahr lässt sogar Schirrmacher die Sau raus, am Karnevalsfreitag. Da wird bereits um vierzehn Uhr der Kugelschreiber fallen gelassen und die Pappnase aufgesetzt, es wird getanzt und geflirtet, dann kneift Kollege Schirrmacher der Kollegin Berger in den Po.
Ich bin ein stiller Beobachter dieses Treibens, ich mach mir nichts aus Karneval. Aber ich genieße die Stimmung, den Lärm und die Nähe, die plötzlich im Büro herrscht.
Hin und wieder nötigt man mir einen Schnaps oder ein Bier auf. Ich vertrage Alkohol nicht gut. Es dauert Tage, bis ich mich erholt habe. Aber immerhin beachtet mich mal jemand.
Seit der Kollege Friedrichs vor zwei Jahren in Pension gegangen ist, wird es immer stiller um mich. Anfangs machten die Kollegen noch ihre Witze und ihre boshaften Bemerkungen. Inzwischen nicht mal mehr das. Dabei sehne ich mich geradezu nach ihrem Spott, nach ihren Spitzen. Aber sie beachten mich nicht. Ich gehöre nicht dazu. Man übersieht mich. Es ist, als wäre ich schon tot.
Nur durch eine Fensterscheibe getrennt, liegt draußen eine andere Welt. Eine grüne Parkanlage mit Rhododendren und Rosen, ein Teich mit Seerosen und schnatternden Enten. Eine Liegewiese, auf der Kinder herumtollen und Liebespaare gurren. Dort das pralle Leben, hier das langsame Versickern der Zeit …
Ich schaue zu den Kollegen hinüber. Keiner hat einen Blick für mich, seit Wochen hat niemand das Wort an mich gerichtet. Zuerst hatte ich noch den Verdacht, es wäre ein Komplott, sie hätten sich abgesprochen, mich zu erledigen. Aber inzwischen weiß ich, es sind nur kollektive Gedankenlosigkeit und Ignoranz.
Meine Widerstandskraft ist dahin. Wenn ich sterbe, wird sich für mich nichts ändern. Aber für die Kollegen, vielleicht empfinden sie meinen Tod als Strafe, vielleicht bereuen sie ihre Lieblosigkeit.
Ich bin sicher, dass sie mich vermissen werden. Sie werden rührende Worte finden. Vielleicht wird die Kollegin Berger weinen. Sie hat nah am Wasser gebaut.
Aber es wird zu spät sein. Sie hätten sich eher um mich kümmern müssen. Wenn die Kollegen einen Hauch Menschlichkeit haben, dann werden sie mich unten im Park beerdigen. An einer Stelle, von der ich auf meinen alten Arbeitsplatz blicken kann. Der Berger trau ich diese Sensibilität zu. Die anderen: Forget it!
Es geht dem Ende zu.
Goodbye, Büro! Das war’s!
Frau Berger trat an die Fensterbank und blickte auf den Ententeich.
Schirrmacher gesellte sich zu ihr. »Schöner Tag heute, was?«
Die Berger nickte. Sie stutzte. »Was
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