Mordsschock (German Edition)
Bedarf an Sauerstoff war gedeckt, und das Wort ‚Mittagessen‘ verursachte in meinem Magen Panikattacken. „Ich muss zurück.“
Ehrhardt schaute enttäuscht aus.
Kam der etwa ausgerechnet heute in Wallung und sprang über seinen Kavaliersschatten, wo ich mich bloß nach einem kühlen abgedunkelten Raum sehnte?
„Nur eine halbe Stunde! Sie müssen etwas entspannen“, beharrte er. Sein neues Amt verlieh ihm draufgängerischen Mut.
„Geht leider nicht.“ Ich steckte meinen Autoschlüssel ins Schloss.
Ehrhardt begriff, dass er verloren hatte, und wich resigniert zur Seite. Dann fiel ihm scheinbar etwas ein. Er beugte sich vertraulich, seine sonst übliche vornehme Contenance vergessend, in meine Richtung und fragte: „Was ist an dem Gerücht dran, dass Sie und Ken Winter etwas miteinander haben?“
Irritiert starrte ich Ehrhardt an, der mich lüstern wie ein altes Klatschweib fixierte. Die korrekte Fassade war verschwunden. Abgelegt wie eine schrumpelige Wurstpelle, ruhte sie irgendwo im Eingang des Altenheims.
Glücklicherweise deutete Ehrhardt meine Verblüffung falsch. „Wusste ich doch, dass Ihre Kollegin nur neidisch ist! Ist ja auch kein Wunder!“ Er wirkte erleichtert. Vermutlich einer von diesen Männern, die erst nach zehn Verabredungen ihr wahres Gesicht zeigten, das sich in nichts von dem der Durchschnittsmänner mit den ewig gleichen Lastern und Begierden unterschied.
„Hat Gundula Zöllner Ihnen das eingeredet?“
„Nicht direkt eingeredet, aber sie hat mal so eine Bemerkung fallen lassen.“
„Ja, im Bemerkungen fallen lassen ist sie spitze!“ Vertraulich berührte ich Ehrhardts Handgelenk und ignorierte die Hämmerchen im Kopf.
Seine Augen leuchteten auf, wohl weil er meine Geste missverstand und sich seinem Ziel näher wähnte.
„Psst, ich sage Ihnen mal was! Weil Gundula bei Ihrem Ludwig nicht landen konnte, pflegt sie jetzt eine heiße Affäre mit Huber!“
Ehrhardts rundes Gesicht glühte. „Der Bürgermeister und die ...?“
Rasch legte ich wie ein alberner Teenager warnend den Zeigefinger auf den Mund. „Ja, aber nur im Vertrauen. Psst!“ Kichernd verschwand ich in meinem Auto. Die Teufelchen hämmerten im Takt dazu. Auf den nächsten Stadtratssitzungen könnte Gundula mächtig viel Spaß haben: Das würde ein Getuschel und Gezischel auf den Abgeordnetenbänken geben.
Kapitel 22
Drei Tage später platzte Jelzick krebsrot in die Redaktionskonferenz und brüllte: „Mord! Mord in Rosenhagen!“
Wir zuckten zusammen.
„Glumbs.“ Gundula blieb das Wort im Halse stecken, obwohl sie uns eben wieder einige wichtige Ratschläge erteilt hatte.
Schwer atmend ließ Jelzick seinen massigen Körper wie einen nassen Sack auf einen Stuhl plumpsen und fragte triumphierend: „Und wisst ihr, wen es erwischt hat?“
Ratlos guckten wir ihn an.
Jelzick wischte sich mit seinem Taschentuch quer über die Stirn und genoss diesen Moment der Überlegenheit sichtlich, ehe er sich bequemte, es uns zu verraten: „Prange! Werner Prange!“ Er betonte jeden einzelnen Buchstaben.
„Was, den Spezi vom Bürgermeister?“, erkundigte sich Wagner ungläubig.
„Aye, der ehrenwerte Politiker!“, stimmte unser Polizeireporter genießerisch zu, als ob die Tat sein persönlicher Verdienst wäre, auf den er mächtig stolz war.
Um den schmierigen Prange ist es nicht allzu schade , dachte ich und erinnerte mich an meinen Stacheldrahtdisput mit ihm.
Herbie wurde ungeduldig und blaffte Jelzick an: „Mann, nun lass dir nicht alles aus der Nase ziehen! Wie ist es passiert?“
„Die Zeitungsfrau fand ihn tot vor seinem Gartenhäuschen. Er ist mit dem Kopf auf einen Holzpflock geknallt. Vermutlich fiel er über eine Rolle Stacheldraht, die davor lag.“
Gundula wischte sich aufgeregt mit dem Ärmel ihres geschmacklosen karierten Blazers über den Mund, sodass er anschließend die Spuren ihres grellroten Lippenstiftes trug. „Aber das ist kein Mord, sondern ein Unfall!“
Jelzick streckte und reckte sich auf seinem Stuhl, zog die Jeans bis zum Bauchnabel hoch und setzte die Miene eines siegreichen Feldherren auf, über dessen Haupt ein unsichtbarer Lorbeerkranz schwebte. „Denkste! Die Polizei hat festgestellt, dass er nach dem Sturz nicht tot war. Bewusstlos, weil er mit dem Kopf unglücklich aufgeschlagen ist. Aber dann hat ihm jemand ein Messer in die Herzgegend gerammt. Das war sein Ende. Muss unappetitlich ausgesehen haben. Blutige Angelegenheit.“
„Hat man das Messer
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