Mordstheater
denn ein gemeinsamer Freund hat mir
erzählt, daß er versucht, eine zeitgenössische Version von Othello zu
verkaufen, in der sie alle miteinander glücklich werden. Anscheinend prügelt
der Mohr sie ein bißchen herum und sieht dann seinen Irrtum ein... ach je.«
»Wie heißt er?«
»Oh, ich weiß nicht, wahrscheinlich Winston oder
so was.«
»Nein, ich meine den Autor.«
»Mein Schwager, meinen Sie?« Sie hob die
Augenbrauen. »Der heißt Jack Burton. Er war mal recht gut, als er noch ein
zorniger junger Mann war, aber jetzt ist er ein mittelalter Mann, der einfach
nur ziemlich mißmutig über alles ist. Wahrscheinlich kriegt er keinen mehr
hoch. Er hat ein fantastisches Stück namens Die Haare im Abfluß geschrieben, das ich vertreten habe —«
Aus irgendeinem Grund war mir der Titel
geläufig, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, das Stück gesehen zu haben.
»Wurde es verfilmt?« fragte ich und überlegte,
ob es mir daher bekannt war.
»Erstaunlicherweise nicht«, sagte Agatha. »Alle
waren für kurze Zeit ganz wild darauf, aber es war schneller veraltet als Blick
zurück im Zorn und all die anderen. Und seitdem gleich null. Er arbeitete
wieder als Lehrer. Ich vermute, seine Schüler dachten, sein Werk sei
wundervoll, weil es eigentlich Teenagerkram ist. Jedenfalls haben sie ihn
rausgeworfen, weil er trinkt, und seit kurzem versucht er, mit seinem Werk
hausieren zu gehen. Ich frage mich, wie Dorothy damit zurechtkommt.«
»Vertritt sie ihn jetzt?«
»Was? Nein, er vertritt sich selbst, insofern es
irgend etwas gibt, das vertreten werden müßte. Nachdem wir uns getrennt haben,
wollte ihn, offen gesagt, kein anderer Agent mehr anfassen —«
»Aber was ist mit Dorothy?« fragte ich.
»Dorothy?« sagte sie, als sei ihr der Name
plötzlich fremd.
»Ich dachte, sie sei auch Agentin...« Ich
stockte. Offenbar hatte ich die Geschichte mißverstanden, die Janet mir erzählt
hatte. Agatha wirkte fast beleidigt über diese Idee.
»War sie nicht die andere Brown von Brown und
Brown?« fragte ich ziemlich plump weiter.
»Das war sie wohl. Aber sie war nie Agentin.
Viel zu unbedeutend und albern. Es reichte kaum zur Sekretärin — oh, tut mir leid, Schatz, ich wollte nicht — , ich meine, Sie sind ja
eigentlich keine Sekretärin.«
Es schien sinnlos, zu erklären, daß der
überraschte Ausdruck, der mir über das Gesicht geglitten war, nicht der
unabsichtlichen Beleidigung meines Status als Sekretärin galt, sondern der
herablassenden Art, in der Agatha gerade von ihrer Schwester gesprochen hatte.
»Nun, wo waren wir stehengeblieben?« fragte
Agatha mit einer Entschiedenheit, die das Thema beendete.
Wir fingen an, die Post durchzugehen. Es waren
ein paar komplizierte Verträge dabei, die sich auf den Transfer eines
West-End-Musicals zum Broadway bezogen, und mehrere große Schecks von
Werbeagenturen, was Agatha seufzen ließ.
»Schauen Sie sich mal das an«, sagte sie. »Richard
Davies hat mehr Geld als Sprecher für einen Magenbitterspot verdient als
während seiner letzten zehn Jahre auf der Bühne. Er ist ein ganz wundervoller
Schauspieler — haben Sie ihn schon mal gesehen? Nein, war vermutlich ein wenig
vor Ihrer Zeit, aber nicht in Mode.« Sie plapperte weiter, teils zu sich selbst
und teils, hatte ich das Gefühl, um mich zu amüsieren.
Ich griff über ihren Schreibtisch, nahm eine
Handvoll Umschläge aus ihrer Ablage und begann damit, sie zu öffnen, und die
Sachen, die ich nicht selbst erledigen konnte, an Agatha zurückzureichen. Einer
der größeren Umschläge sah aus, als sei er direkt vorbeigebracht worden. Das
Papier war dick und edel, und ich dachte, er würde eine Einladung enthalten,
die auf einer ähnlich edlen Karte gedruckt war. Aber darin Steckte ein
sorgfältig gefaltetes Stück dazu passenden Notizpapiers mit einem getippten
Satz darauf. Zu lesen war einfach »DIE FEHLER IHRER VERGANGENHEIT WERDEN SIE
HEIMSUCHEN.«
Ich dachte mir, es müsse irgendein Reklamegag
sein, um für ein Stück zu werben, und reichte das Blatt mit einem Lächeln über
den Schreibtisch an Agatha.
Sie betrachtete es kurz. Dann sagte sie
sarkastisch: »Wie ungemein tiefgründig. Offenbar ist der epigrammatische Geist
eines großen Künstlers wieder am Werk. Ich glaube nicht, daß wir uns mit einer
Antwort abzugeben brauchen.«
Sie knüllte das Papier zusammen, warf es nach
ihrem Papierkorb, rief »Tor!«, als es sein Ziel traf, griff sich dann das
nächste Stück, das ich ihr entgegenstreckte, und
Weitere Kostenlose Bücher