Mordstheater
weiß nicht so recht, wie ich Sophie zur
Zeit vorstellen soll«, sagte Donny. »Es war immer sehr lustig mit ihr, vor
einigen Jahren, aber dann ging sie bei einer Handelsbank arbeiten —«
»Bei einer amerikanischen Bank.«
»Um so schlimmer«, fuhr er fort. »Sie hat
jahrelang jedermann mit ihrem Gerede über Euro-Anleihen und die Verschuldung
der dritten Welt gelangweilt. Dann, als man gerade ein bißchen Geld hatte und
nach einem freundlichen Tip hinsichtlich zukünftiger Märkte Ausschau hielt,
oder nach einem Insider-Hinweis zu ein oder zwei Optionen, schmeißt Sophie den
Kram hin und geht. Für niemanden von Nutzen. Dann hören wir, daß sie Sekretärin
geworden ist. Ein Wunder, daß sie immer noch hierher eingeladen wird.« Er
zwinkerte und schlenderte zu seinem Tischende zurück.
Er machte Spaß, aber es lag ein leicht
unbehagliches Element des Vorwurfs in seinen Bemerkungen. Ich habe
festgestellt, daß einige meiner sogenannten Freunde aufrichtig entsetzt sind
über den Rückschritt in meiner Karriere. In Cambridge war die Identität eines
jeden in seinen Aktivitäten verankert, wie Rudern oder Schauspielerei, und zu
einem geringen Ausmaß in seinem Fach. Seit wir dort fortgegangen waren,
interessierten sich die Leute mehr und mehr dafür, was man macht, und immer
weniger dafür, was man denkt. Donny ist »Innenarchitekt« geworden, Dan ist
»Schriftsteller«. Ich war als Bankkauffrau gerade so eben akzeptabel gewesen:
Über die Arbeit selbst hatten sie die Stirn gerunzelt, das Gehalt beneidet. Als
Sekretärin wissen die Leute einfach nicht, was sie mit mir anfangen sollen. Ich
muß mir mehr Mühe geben, in ihre Unterhaltungen einbezogen zu werden, weil
meine Arbeit kein taugliches Diskussionsthema ist.
Ich beobachtete meine Mitgäste. Dem Kritiker
ging praktisch einer ab wegen seiner exklusiven Anwesenheit bei der
Taschenbuchauktion von Dans Roman. Dan ist von Natur aus bescheiden und fand,
wie ich glaubte, den ganzen Auftritt ziemlich ermüdend.
»Es kommt so selten vor, daß ein so
internationaler Roman der Feder eines Engländers entströmt.«
»Vielen Dank. Ich bin eigentlich Schotte, aber
es macht nichts.«
»Schotte? Faszinierend... Sehr, sehr... Ich
glaube, ich habe selbst etwas schottisches Blut in mir.«
»Wirklich?«
Ich hatte einen großen Schluck Kir genommen und
fühlte mich verpflichtet, Dan zu helfen.
»Bei welcher Zeitung sind Sie?« fragte ich.
Er sagte es mir.
»Ist das nicht jene, die Dans Buch als schwule
Version von Love Story, bloß ohne die Story, beschrieben hat?«
Er starrte mich an.
Dan lächelte. »Oh, ich mochte das recht gern«,
sagte er. »Es hat uns ermöglicht, >Eine schwule Love Story < als
Zitat quer über die Titelseite der amerikanischen Ausgabe zu setzen.« Er stand
auf, weil das Telefon schon wieder klingelte.
Der erste Gang war hausgemachte Pasta, haargenau al dente gekocht und mit ein wenig geschmolzener Butter und ein paar
Schnitzen weißer Trüffel verziert. Wir konzentrierten uns alle so sehr darauf,
unsere Tagliarini nur mit der Gabel aufzurollen, daß die Unterhaltung
versiegte, bis unsere Teller von dem ausnehmend hübschen kubanischen Butler
abgeräumt wurden, den sie für den Abend angeheuert hatten.
»Eine halbe Million, und es ist erst vier Uhr
nachmittags nach deren Zeit«, sagte Dan, als er zurückkam. »Ich kriege nur die
Hälfte, weil ich mit meinem Verleger teilen muß, aber es ist immer noch eine
ganze Menge.«
»Wir reden in Telefonnummergrößen«, rief Donny
vom anderen Ende des Tisches. »Gut, natürlich nicht London, aber wenn man in
der Provinz lebt.«
»Es fühlt sich irgendwie unwirklich an«, sagte
Dan und schenkte jedem etwas Claret ins Glas.
Die Unterhaltung wandte sich dem Geld zu, und
wir sagten alle reihum, was wir tun würden, wenn wir zufällig eine Million
Pfund erhielten. Von der Zahnärztin abgesehen kam es niemandem in den Sinn,
auch nur einen Penny davon zu verschenken, an Wohltätigkeitsorganisationen oder
für gute Zwecke irgendeiner Art. Mehrere Leute sagten vage, daß es nicht genug
sei. Der Literaturkritiker fing seine Liste mit einem Ferrari an, entschied
sich aber schnell für eine Insel um, als er merkte, wie ihn jeder übertrieben
angähnte. Das Fotomodell meinte, daß man sich mit einer Million heutzutage
keine sonderliche Insel kaufen könne, es sei denn, sagte sie, er dächte an ein
kleines Atoll vor der Küste seines Heimatlandes.
»Was?«
»Schottland«, sagte sie. »Sie haben uns gerade
gesagt,
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