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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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ich sie öfters sagen hören, und ich wußte, daß sie über Aspirin
genau dasselbe dachte, oder über jedes andere Mittel, das normale Leute nehmen,
um über kleinere Unpäßlichkeiten hinwegzukommen. Mir wurde auch klar, daß einer
der Gründe, warum es mir anfänglich schwergefallen war, die Prämisse zu
akzeptieren, daß sie sich umgebracht hatte, nicht einfach darin lag, daß ich es
nicht akzeptieren wollte - es hatte mir vielmehr nicht in den Kopf
gewollt, daß sie tatsächlich eine Überdosis Schmerzmittel geschluckt haben
sollte, weil ich mir nicht vorstellen konnte, daß sie überhaupt
Schmerztabletten im Hause hatte.
    Die Erleichterung, die ich dabei verspürte,
schließlich doch etwas verstanden zu haben, wich augenblicklich einem Gefühl
des schleichenden Grauens. Was war dann also passiert? Wenn es, wie ich
glaubte, kein Selbstmord war und auch kein Unfall gewesen sein konnte, lautete
die unausweichliche Schlußfolgerung, daß jemand Agatha ohne ihr Wissen
Schmerztabletten gegeben hatte. Was bedeutete, daß Agatha ermordet worden war.

  Martin war nicht gerade erfreut, geweckt zu werden, und dem Ton
seiner Stimme nach nahm ich stark an, daß er auch nicht allein im Bett lag. Er
war besonders gereizt, als er hörte, warum ich anrief. »Sophie, um ganz ehrlich
zu sein, ich denke, du solltest besser mal zum Arzt gehen. Jetzt wirst du
irrational. Es ist verständlich, aber du mußt darüber hinwegkommen.«
    »Nun hör mir doch mal einen Moment zu —«
    »Nein, das werde ich nicht. Und nein, du darfst
nicht zu der Beerdigung gehen. Es geht dich sowieso nichts an.«
    »Ich habe sie verdammt noch mal gefunden, also
geht es mich etwas an... Wenn die Polizei dasselbe denkt wie ich, bin ich
wahrscheinlich eine Verdächtige.«
    »Jetzt geht endgültig die Phantasie mit dir
durch, Soph. Leg dich ins Bett und geh morgen früh zum Arzt. Ich glaube, du
brauchst ein bißchen psychologische Beratung, oder irgend so was. Ich melde
mich dann.« Er legte den Hörer auf.
    Ich fragte mich kurz, ob er recht hatte. Ich
hatte mich seit dem Wochenende ganz und gar nicht normal gefühlt, und die
Theorie, die ich mir über Agathas Tod zurechtgelegt hatte, schien ziemlich
extrem. Martin war sonst ein großer Verschwörungstheoretiker, und wir
verbrachten immer Stunden damit, Intrigen in der Bank miteinander zu
diskutieren. Es würde ihm nicht ähnlich sehen, kurzerhand irgendeine Idee zu
verwerfen, von der er glaubte, daß sie auch nur die kleinste Spur von
Plausibilität enthielt. Ich beschloß, es mit Schlafen zu versuchen und zu
sehen, wie ich mich am Morgen fühlte, bevor ich irgendeine Entscheidung traf,
was zu tun sei.
     
    Das Taxi setzte mich vor der düsteren
Straßenfront des Golders-Green-Krematoriums ab. Es gab mehrere dunkelrote
Ziegelbauten, die aussahen wie eine kleinere, finsterere Version der
St.-Pancras-Station. Ich stand im strömenden Regen und fragte mich, wo die
Beerdigung war. Schließlich bemerkte ich auf der anderen Seite des Vorhofes
eine Tür, auf der »Rezeption« stand.
    Ein überraschend fröhlicher Mann in einem
schwarzen Mantel schaute auf seine Liste und informierte mich, daß die
Beerdigung in der East Chapel abgehalten werden würde. Dann bot er an, mich
unter dem Schutz seines großen schwarzen Regenschirms dorthin zu geleiten. Er
erzählte mir, daß die kleinere Bedford Chapel dieser Tage kaum noch benutzt
wurde, da es davor nicht genug Platz zum Wenden für die Autos gab, und ich war
erleichtert, daß ich mein Taxi davon abgehalten hatte, durch das Tor zu fahren
und das Verkehrsnetz zu verstopfen. Es wäre nicht so schlimm gewesen, wenn es
ein schwarzes Taxi gewesen wäre, aber es war eines von denen, die wie eine
Zeitung bemalt waren, um für den Evening Standard Werb 11 ng
zu machen.
    In der Stille der Kapelle war ich mir peinlich
des Geräuschs bewußt, mit dem das Wasser von meinem Mantel tropfte. Ich setzte
mich mehrere Reihen nach hinten, um Platz für die Verwandten zu lassen. In der
vordersten Bankreihe war Dorothy und neben ihr eine viel ältere Frau, die ein
bißchen senil schien. In der Reihe dahinter saß Anthony, mehrere Meter rechts
von der Frau und mehr oder weniger vor mir. Er hatte mein Hereinkommen
anscheinend nicht bemerkt. Der Vikar ging auf Dorothy zu und murmelte etwas.
Sie nickte. Dann half sie der alten Dame auf die Füße, und was sich wie ein
Kassettenrekorder anhörte, begann ein Stück von Bach zu spielen, das ich nicht
einordnen konnte. Vier Friedhofswärter

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