Mordsviecher
hatte. Was hatte der hier verloren? Hatte er Tiere befreien wollen? Oder an der Kröte lecken?
Auch der Schlangenmann kannte Stowasser aus Funk und Fernsehen. » Der Stowasser? Ist das nicht der mit der Fabrik in Eschenlohe? Mit den Gänsen?«
Irmi musterte das Bild im Ausweis. Das war der Tote, ganz eindeutig.
»Den hab ich echt nicht erkannt«, sagte der Schlangenmann verblüfft.
Wer bitte schön erwartete denn auch den bayerischen Unternehmer das Jahres 2010 inmitten gefrosteter Schlangen, unterkühlter Leguane oder mit der Zunge im Nacken einer Kröte?
Irmi hatte Mühe, sich zu konzentrieren. »Man erkennt Leute ja öfter nicht, wenn sie quasi aus dem Zusammenhang gerissen sind, wenn sie … Wissen Sie was, ich komm nicht über diese Kröte hinweg, die …« Wieder beendete sie den Satz nicht.
»Frau Mangold, das wäre nur eine Option. Es befanden sich mehrere Tiere außerhalb der Käfige. Vielleicht käme auch einer der Pfeilgiftfrösche infrage. Sie sind klein, aber oho – null Komma null zwei Milligramm ihres Gifts sind tödlich, es muss nur etwas in eine offene Wunde geraten. Der Mann hat einen zerkratzten Unterarm. Das hab ich dem Arzt aber auch gesagt. In jedem Fall wird die Rechtsmedizin viel Spaß haben, und Sie auch: Kann man Reptilien eigentlich des Mordes anklagen?«
O ja, Spaß würde sie haben. Irmi straffte ihre Schultern. »Ihnen schon mal herzlichen Dank, bitte auch an die Kollegen von der Auffangstation. Ich befürchte, unsere Wege werden sich in nächster Zeit noch öfter kreuzen. Also ich mein, nicht dass mir das unrecht wäre, aber ohne den Herrn Stowasser …« Sie litt unter akuten Wortfindungsstörungen, unter einer Satzbildungsneurose.
Doch der Experte hatte sie schon richtig verstanden. »Frau Mangold, ich glaube, wir alle brauchen erst mal ein großes Bier und ein bisschen Schlaf. Ich stehe natürlich gern zur Verfügung. Würde mich auch interessieren, woran er gestorben ist.«
»Ich halt Sie auf dem Laufenden«, versprach Irmi und wandte sich dann an Sailer und Sepp. »Den Wagen zur KTU , das Täschchen auch. Es ist leider kein Handy drin. Die sollen aber trotzdem mal das gesamte Programm fahren.«
Dann verabschiedete sie sich von ihren Leuten und von den Tierschützern.
Es war eine rabenschwarze Nacht. Kein Mond, keine Sterne standen am Himmel. Sie würden heute Nacht keine Angehörigen mehr informieren. Zwar war es üblich, das so schnell wie möglich zu erledigen und gleich das Kriseninterventionsteam mitzunehmen, aber es war nach ein Uhr, und es lag keine Vermisstenanzeige vor.
Es war fast zwei Uhr, als sie zu Hause war. Noch immer versetzte es ihr einen schmerzhaften Stich, wenn ihr Blick auf den leeren Korb ihrer Hündin fiel. Es war eine stille Übereinkunft zwischen ihr und ihrem Bruder Bernhard, dass der leere Korb stehen blieb. Nicht einmal ihr Kater hatte davon Besitz ergriffen.
Der Kater namens Kater kam angeschlendert, gefolgt von einem zweiten Kater, der aus dem Nichts gekommen war. Ein rabenschwarzes Tier mit wenigen weißen Haaren an der Brust und weißen Barthaaren. Er hatte gelbe Augen wie ein Panther und das Temperament eines Quirls. Ständig in Bewegung. Dass Kater einen Artgenossen akzeptieren würde, hätte sie sich nicht träumen lassen. Aber Katzen waren unergründlich. Kater sah in dem Jungspund, den ihre Tierärztin auf ein knappes Jahr geschätzt hatte, wohl eine Aufgabe. Er war Vorbild und Erziehungsberechtigter zugleich. Deshalb hatte er wohl seinem jungen Freund eine Wühlmaus gefangen, die der Kleine nun stolz in die Luft warf. Das Ding war rattengroß, hatte bloß keinen so langen Schwanz. Irmi war sich sicher, dass Kater es gefangen hatte, nicht der kleine Hektiker. Der gab nämlich ständig pfeifende Geräusche von sich, die auch das letzte Beutetier in die Flucht geschlagen hätten.
Als sie ihr zweites Bier ausgetrunken hatte, war es halb drei. Sie entsorgte das Pelzding und ging ins Bett. Wie gut ging es doch ihren beiden Katern, dachte sie noch, ehe sie einschlief.
3
Als Irmi einige Stunden später ins Büro kam, war Andrea schon da. Sie setzte an, sich noch mal zu entschuldigen, was Irmi aber gleich mit einer Handbewegung abwürgte.
»Wie geht es den Pferden?«
»Papa hat ihnen gestern Nacht noch die Hufe ausgeschnitten. Wahnsinn, wie die dagestanden sind! Das Horn war voll nach vorne aufgebogen, die Gelenke natürlich total dick. Die armen Tiere haben erst mal gar nicht begriffen, was richtiges Heu ist. Wir geben auch
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