Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
lauwarmes Mash, denn denen ihr Darmtrakt ist mit Sicherheit nicht in Ordnung.«
    »Das freut mich. Bei euch sind die bestens aufgehoben. Können sie denn bleiben?«
    »Papa sagt nein, Mama sagt ja.« Andrea lachte bedeutungsvoll.
    »Was sind’s denn für welche?«, fragte Irmi.
    »Das eine ist ein Wallach, bei dem ich mal auf schweres Warmblut tippen würde, wenn der mal zunimmt. Das andere ist eine Stute. Die hat sogar einen Oberländer Brand und ist sicher noch nicht alt«, meinte Andrea.
    Na, eine Kaltblutstute würde ihr Vater sicher nicht mehr vor die Tür setzen, und für den Wallach würde sich die Mama starkmachen.
    »Ich hab auch schon recherchiert«, sagte Andrea und wechselte das Thema. »Also diese Isabella Rosenthal hat das Grundstück vor drei Jahren gekauft. Sie ist die Schwester einer Liliana Rosenthal, das ist aber nur der ihr Mädchenname. Ihr Ehename lautet …«
    »Stowasser?«, vermutete Irmi, einem Impuls folgend.
    »Ganz genau. Woher weißt du das denn?«
    »Der Tote ist ein gewisser Kilian Stowasser. Das haben wir gestern Nacht noch anhand seines Ausweises herausgefunden. Da keine Vermisstenanzeige vorlag, dachte ich mir, es genügt, wenn wir gleich heute früh die Angehörigen informieren.«
    »Von denen es wenige gibt. Die Frau ist tot. Keine Kinder. Ein Bruder irgendwo. Und eben diese Schwester der Frau. Ich versuche da gerade mehr rauszufinden.« Andrea machte eine Pause. »Du weißt also auch schon, wer dieser Stowasser ist?«
    »Ja, was ich aber immer noch nicht glauben kann, ist, dass er für diese Schweinerei zuständig ist. Ausgerechnet der.«
    Andrea nickte. »Ja, das find ich auch unglaublich. Der macht ja ganz massiv PR für seine tierschutzgerechte Produktion. Ich war auf seiner Homepage, da laufen oben am Rand glückliche Gänse durch oberbayerische Wiesen. So einer quält doch keine Tiere. Vielleicht wusste er ja nicht, was die Schwester seiner Frau da treibt?«
    »Und warum war er dann dort?«, fragte Irmi.
    »Vielleicht hat er’s eben erst entdeckt?«
    »Glaubst du das?«
    »Nein«, sagte Andrea zögernd.
    »Wir haben eine Soko gebildet«, berichtete Irmi. »Nachher ruf ich alle zusammen. Um zehn kommt außerdem ein Psychologe. Ich glaube, wir müssen alle erst mal begreifen, was Animal Hoarding eigentlich bedeutet.«
    Um zehn Uhr saßen Kathi, Andrea, Sailer, Sepp Gschwandtner und Irmi im Besprechungszimmer.
    »Wir waren ja gestern alle vor Ort«, begann Irmi. »Ich weiß nicht, wie ihr geschlafen habt. Ich hatte jedenfalls Albträume.« Sie erzählte von den neuesten Erkenntnissen, und als sie den Namen des Toten nannte, weckte das ungläubiges Staunen.
    Dann nickte sie ihrem Besucher zu. »Ich habe Herrn Dr. Bindl dazugebeten, weil wir alle zum ersten Mal mit Animal Hoarding konfrontiert sind. Ich mein, wir waren alle schon mal in einer Messie-Wohnung, ich hatte aber noch nie das Vergnügen mit Schlangen in der Tiefkühltruhe, und Hasen mit abgefressenen Ohren hab ich auch noch nie gesehen.« Sie stockte kurz. »Herr Dr. Bindl, wir klären gerade erst die Besitzverhältnisse, aber kann es theoretisch sein, dass jemand nach außen ein ganz normaler Bürger ist und in Wirklichkeit hinter den hohen Hecken seines Anwesens Tiere hortet?«
    »Genau, wie kann so was denn sein? Einerseits ist der Typ ein Tier- und Menschenfreund, andererseits liegen da lauter verelendete Kreaturen auf seinem Hof?« Andrea klang verzweifelt.
    »Genau das ist das Perfide am Animal Hoarding, dass man diese Menschen eben nicht auf den ersten Blick erkennt«, erklärte Herr Bindl. »Wir hatten mal einen Fall von zwei Schwestern, die mit einer unendlichen Anzahl von armen Meerschweinchen in einer total vermüllten Wohnung lebten. Nach außen aber waren diese beiden Damen wie aus dem Ei gepellt.«
    Weil keiner etwas sagte, fuhr er fort: »Die meisten Tierhorter igeln sich ein, und so dringt lange nichts nach außen. Der Deutsche Tierschutzbund hat gemeinsam mit Amtstierärzten und Psychologen 2008 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gegründet, der ich auch angehöre. Wir wollen alle, die sich beruflich mit diesem Krankheitsbild auseinandersetzen müssen, umfassend informieren. Häufig sind Tierhorter einsame Menschen, die psychisch massiv verletzt worden sind und sich daher von den Menschen abwenden und stattdessen den Tieren zuwenden. Kommt dann ein Auslöser wie Scheidung, Tod oder Verlust des Arbeitsplatzes hinzu, kann das der berühmte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Weitere Kostenlose Bücher