Mordsviecher
besser gesagt rumgammelt. Er meldet sich alle paar Monate mal.«
»Was ist mit Isabella Rosenthal?«, fragte Irmi.
Stowassers Assistentin begann zu weinen. Ihre Schultern zuckten, und sie antwortete unter Tränen: »Das ist die Schwester von Liliana …«
»Das wissen wir schon. Ist das ein Grund zum Heulen?«, unterbrach Kathi sie, was ihr einen warnenden Blick von Irmi einbrachte.
Frau Faschinger schluchzte auf. »Frau Rosenthal ist hier fürs Marketing zuständig. Sie …« Der Rest ging in Tränen unter.
»Wo finden wir die Dame?«, übernahm Irmi.
»Sie hat gerade Journalisten zu Besuch. Sie machen einen Rundgang, im Moment sind sie bei den Gänsen.« Frau Faschinger heulte weiter.
Ihr vernuscheltes »Sie können doch keinen Pressetermin stören« überhörten Irmi und Kathi geflissentlich und gingen zügig zurück zum Empfang.
»Könnten Sie alle Abteilungsleiter in einer halben Stunde hierherbitten? Danke!«, wandte sich Irmi an die Empfangsdame, die ausnahmsweise einmal nicht perfekt aussah, sondern recht dümmlich mit ihrem vor Verblüffung geöffneten Mund. Dann verließ sie zusammen mit Kathi das Gebäude.
Draußen klebten die Blätter nass und morbide am Boden, die graue Stimmung erinnerte schon an den Herbst – nur war es weit vor der Zeit.
Kurz vor der Fertigungshalle ging links ein Weg Richtung »Gänsewelt« ab, wo sich schier endlose Wiesen befanden, übersprenkelt von weiteren Gebäuden. Das Gesamtareal musste an die zehn Hektar haben, überlegte Irmi. Sie folgten dem Weg und landeten in einer kleinen Senke, wo sich Gänse und Fotografen tummelten.
Eine Dame, vermutlich Isabella Rosenthal, war gerade mitten in einem Redeschwall. Sie nickte Irmi und Kathi nur zu, wahrscheinlich hielt sie die beiden für zu spät gekommene Journalisten. Sie drückte ihnen jeweils eine Pressemappe in die Hand. Die Titelseite zierte das Gänsebild, das über dem Schreibtisch des Chefs hing. Irmi blätterte weiter. Auf der nächsten Seite stand der folgende Text:
Federn lassen – aber tierschutzgerecht
Er ist schön kuschelig und soll auch bei extremen Minusgraden noch wärmen und den Menschen ausgeruht in den Bergmorgen entlassen. Die Qualität eines Schlafsacks entscheidet oft über das Gelingen von Touren, manchmal sogar übers Überleben. Enthalten sind diverse Füllmaterialien, darunter oft die wärmenden Gänsedaunen. Hand aufs Herz: Wer denkt wirklich darüber nach, woher diese Daunen eigentlich stammen? Wir von KS-Outdoors – Daunenträume werden wahr machen unsere gesamte Produktion transparent!
Die Präsentation wirkte hochwertig, das Papier war dick, die Mappe in Recyclingpappe gehüllt und von einem naturfarbenen Bindfaden gehalten. Hier sprang einen der Ökofaktor geradezu an.
Die Marketingdame fuhr mit ihren Ausführungen fort: »Hier haben wir eine Gruppe von hundert Gänsen. Hochinteressant ist, wie die sich verhalten. Es gibt immer ein Leittier. Der hat das Sagen, darf als Erster ans Fressen. Dann folgt die Gruppe in einer festgelegten Rangordnung, und dann gibt’s noch den Aufseher, der nachschaut, ob alle gefressen haben. Er selbst frisst erst ganz zum Schluss. In dieser Gruppe ist das Leittier ein Weibchen, der Aufseher männlich, das war aber auch schon andersrum.«
Sie lächelte, und die Journalisten schrieben eifrig mit. Irmi spähte auf das Namensschildchen an ihrer schilfgrünen engen und kurzen Daunenjacke – sicher auch von der Firma KS -Outdoors. Es war tatsächlich Isabella Rosenthal. Ihr Alter war schwer zu schätzen, von vierzig bis Mitte fünfzig war alles möglich. Ihr Gesicht war fast faltenfrei, sie war groß, hatte einen gewaltigen Busen, einen kleinen Bauchansatz und dünne Beine. Eher eine Brünhilde als ein Rehlein. Ihre naturkrausen Haare trug sie in einer seltsamen Hochsteckfrisur, was ihre Gestalt noch imposanter machte.
Sie hatte die Journalisten fest im Griff, die ihr folgten wie der Rattenfängerin von Eschenlohe. Die Führung umfasste noch zwei Ställe, eine Anlage für die Küken, weitere Freiläufe sowie ein Heu- und Strohlager, das Irmi vor Neid erblassen ließ. Wie machten die das, dass die Ballen wie Zinnsoldaten standen und keine Spinnwebe den Heustock verunzierte?
Anscheinend hatten sie die eigentliche Pressekonferenz verpasst, denn die Fragen der Journalisten waren ziemlich speziell und bezogen sich offenbar auf das vorher Gesagte.
»Hab ich das richtig verstanden, dass Sie als erste deutsche Firma das Prüfinstitut beauftragt
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