Mordsviecher
oder wer auch sonst diesen Weg genommen hat. Ihre Leute haben doch auch gesagt, sie hätten die Tür erst aufbrechen müssen.«
Das stimmte, Stowasser war wohl über eine Art Geheimgang in sein Reptilienrefugium gelangt.
»Sind da unten noch mehr Räume?«
»Ja, einige verschlossene Stahltüren, ich kann natürlich nicht ausschließen, dass die Schlange da noch drin ist. Irgendwo. Man weiß ja nicht, wann diese Türen verschlossen wurden.«
»Und was tun wir jetzt?« Irmi klang verzweifelter, als sie es beabsichtigt hatte.
»Das kann ich nicht entscheiden. Die Nachbarn informieren. Ganz Krün informieren. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie weit die Schlange gekommen ist. Wenn sie denn noch da ist.«
»Sie sind doch der Experte!«, maulte Kathi.
»Ja, aber ich kann nur von Wahrscheinlichkeiten ausgehen. Bei der momentan vorherrschenden Kühle würde ich sagen, die Schlange ist noch nicht bis Garmisch oder Scharnitz vorgerückt. Auch nicht übers Estergebirge gepilgert. Aber just dieses spezielle Tierchen kenne ich nicht persönlich, und es hat mir seine Absichten nicht durch Schwanzschlagen oder Züngeln mitgeteilt.«
Immerhin hatte er Kathi mundtot gemacht. Sie schwieg und funkelte ihn böse an.
»Ihr Gefühl?«, fragte Irmi leise.
»Ich weiß es wirklich nicht. Sie könnte hier noch irgendwo im Keller oder auf dem Grundstück sein. Die Frage ist auch, wann sie zuletzt gefressen hat. Mambas jagen aus der Bewegung etwas Bewegtes und werden dabei bis zu fünfundzwanzig Stundenkilometer schnell.«
»Können Sie morgen weitersuchen?«, fragte Irmi. »Ich kann die Räume momentan auch nicht aufbrechen lassen, das Risiko ist mir zu hoch. Das geht nur in Ihrem Beisein!«
»Ja, das erachte ich für vernünftig. Ich bringe morgen einen Kollegen mit.«
»Dann halten wir das so lange unterm Deckel, damit keine Panik ausbricht oder selbsternannte Mambajäger auf den Plan treten«, sagte Irmi und versuchte, die souveräne Chefin zu geben.
»Das nimmst du aber auf deine Kappe!«, rief Kathi.
»Ja, das tue ich, und du, liebe Kathi entschwindest in dein verlängertes Wochenende und fährst wie versprochen mit dem Soferl nach Reutte zur Zeitreise Ehrenberg.«
Irmi war mal mit ihm in Ehrenberg gewesen, wo ein paar Tage lang das Mittelalter wieder auferstand. Es gab genug neuzeitliche Menschen, die es liebten, in eine Zeit abzutauchen, in der verrottete Zähne ebenso an der Tagesordnung gewesen waren wie Syphilis und die Leibeigenschaft. Die heutigen Mittelalterfreaks lebten sich natürlich in die Rolle der Reichen ein, und da gab es genug Vorbilder, was Verschwendung und Dekadenz betraf. Sigmund der Münzreiche war der erste der Tiroler Herrscher gewesen, der am Heiterwanger See pompöse Hofjagden und Fischerfeste veranstaltete. Erzherzog Ferdinand II . hatte Mitte des 16. Jahrhunderts exaltierte Seefeste gefeiert und riesige Schiffe nach venezianischem Vorbild bauen lassen. Die Reichen hatten in Saus und Braus im Fürstenhaus gelebt, während die einfachen Bauern dem Treiben mit Entsetzen zugesehen hatten, vor allem wegen des achtlosen Umgangs mit den Fisch- und Wildressourcen.
Irmi bezweifelte allerdings, dass sich die heutige Mittelaltergemeinde mit ihren reich gefüllten Trinkhörnern ernsthaft für die Geschichte interessierte. Das Soferl hatte immerhin größten Wert darauf gelegt, dass das Mittelaltergewand, das die Oma ihr genäht hatte, »keine doofe Prinzessin wird, sondern eine Gänsemagd«. Sophia wollte wegen der »Autizitat« – der Himmel wusste, wo sie dieses leicht verstümmelte Wort her hatte – barfuß gehen, was Kathi ihr sicher verbieten würde. Irmi hätte dem Kampf der beiden gerne zugesehen und wirklich nicht gewusst, auf wen sie hätte setzen sollen.
Kathi beäugte Irmi skeptisch, sagte aber nichts weiter und zog schließlich ab.
Irmi hatte keine Ahnung, wie sie jetzt am besten vorgehen sollten. Sie waren in der prekären Situation, dass sie nicht wussten, wie das Mambagift in den Körper von Kilian Stowasser gelangt war. Nachdem der Kollege Hase seine Untersuchungen abgeschlossen und losgefahren war, versiegelte sie das Gebäude. Dabei hatte sie ständig das Gefühl, den Kopf einziehen zu müssen, weil diese Mamba auf sie herabfahren könnte. Sie rief sich zur Räson und startete ihr Auto.
Es war auf einmal richtig warm geworden, die Sonne schickte stechende Lanzenstrahlen zur Erde, die Luftfeuchtigkeit war tropisch – kein Wunder nach den Wassermassen, die aus den himmlischen Schleusen
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