Mordsviecher
Kater, der den Rest der Klorolle triumphierend hochschleuderte. Kater lag mit elegant eingeschlagenen Pfoten daneben und betrachtete seinen Schützling. In seinen Augen lagen Milde und Wärme.
Irmi musste grinsen. Sie vermenschlichte Tiere, hätte Bernhard jetzt gesagt. Doch sie liebte die beiden Kater in diesem Moment aus tiefstem Herzen, denn sie schickten Licht in diesen tiefgrauen Tag und brachten sie zum Lachen.
Langsam begann sie die Deko wieder aufzusammeln. Als sie wieder vorne an der Eingangstür war, kam aus der Küche ein schauerlich berstendes Geräusch. Der Neue hatte es irgendwie geschafft, zwischen Decke und Bauernschrank zu springen, und dabei einen Bierkrug zu Boden befördert. Kater war geflüchtet, der Kleine hingegen hieb mit seiner dünnen rabenschwarzen Pfote über die Kante des Schranks.
»Du Giftzwerg!« Irmi lachte.
Er hakelte mit der Pfote nach ihr und hing dann über der Kante, um genau zu beobachten, wie das Frauchen die Scherben aufkehrte. Als sie fertig war, sprang er herunter und rollte sich augenblicklich auf der Eckbank zusammen. Die Show war beendet!
Lasst uns sein wie die Katzen, dachte Irmi, nahm sich ein Bier und setzte sich dazu. Kater kam retour und fläzte sich mitten auf den Tisch. Gut, dass Bernhard mal wieder vereinsmeiern war, er hätte Kater sofort hinunterkatapultiert.
6
Der Experte stand schon da, als Irmi vorfuhr. Es war kühl, aber klar. Die Wolken des Vortags hatten sich verzogen. Die Sonne hatte noch gegen die Berghänge verloren, das Anwesen lag im Schatten. Am Gegenhang aber malte sie bereits Flecken in die Wiese, vielleicht würde ihnen der Restsommer und der Herbst ja noch schöne Tage gönnen und dann übergangslos der Schneezeit weichen. Schnee war besser als Schmuddelwetter. Heller und reiner.
Der Schlangenmann trug eine seltsame Schutzhaube und einen Haken bei sich. Irmi hatte sich das eingeprägt: Mambas kamen von oben. Sie fühlte sich unwohl.
Nachdem sie am Tor das Dienstsiegel gelöst hatte, gingen sie zum Gebäude, in dem der tote Stowasser aufgefunden worden war. Irmi verscheuchte die Bilder, die in ihr aufstiegen, so gut sie konnte. Die Mamba blieb. Sie würde nicht herabfahren aus dem Himmelsgewölbe, dennoch hatte Irmi das Gefühl, als müsse sie die Schultern einziehen und den Kopf in den Nacken legen. Aber ob es besser war, sehenden Auges der Gefahr zu begegnen?
»Ich geh mal rein«, sagte er. »Ich schau mich um.«
Es kam Irmi wie eine Ewigkeit vor, bis er wieder herauskam. In den Händen hielt er ein Fläschchen.
»Afrikaserum, ein Serum gegen Mambabisse«, erklärte er. »Das Präparat ist längst abgelaufen, inzwischen dürfen diese Seren nur noch in ausgewählten Kliniken vorrätig sein. Sie werden kaum mehr hergestellt.«
Irmi sah ihn fragend an.
»Wissen Sie, Frau Mangold, wir Europäer haben alle keine Kolonien mehr. Da stellen wir auch kein Serum mehr her. Sie bekommen es gerade noch aus den Niederlanden, fragen Sie mich aber nicht, ob die mit einer Neuauflage ihrer Kolonialgeschichte rechnen.« Er lachte wieder, der Mann hatte wirklich ein sonniges Gemüt. Oder er war ein Meister des Galgenhumors.
»Und was hilft uns das nun?«
»Also, ich gehe von der Existenz einer Mamba aus. Sonst hätte er dieses Serum nicht gebraucht. Wann die Schlange allerdings hier gelebt hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich bin ja erst am Anfang.« Er zog wieder ab, und Irmi wartete.
Sie hasste Warten. Sie hasste Untätigkeit. Sie ruhte sich nie aus. Sie machte nie Urlaub, zumindest keine Urlaube im klassischen Sinne mit Flugreise und Strand. Mit Handtuchkrieg am Pool und den fett aufgehäuften Tellern, weil man am Büfett ja zuschlagen musste, wenn alles inklusive war. Sie waren immer Landwirte gewesen, da machte man nicht Urlaub.
»Ausruhen kann ich, wenn ich tot bin«, hatte ihre Mutter immer gesagt und spitzbübisch gelacht. Ihre Mutter war immer unterwegs gewesen, geistig und körperlich, und hatte immer Pläne gehabt. Kleine Pläne, kleine Schritte, nichts Hochfliegendes, aber doch eben Pläne. »Sei amoi z’frieden«, hatte ihr Vater sie gerügt, doch da hatte ihre Mutter einen weiteren Satz parat gehabt: »Zufriedenheit ist der erste Schritt in die Lethargie.« Ihr Vater hatte sich dann an den Kopf gefasst und war weggeschlurft.
Irmi atmete tief durch. Es war schwer, ohne solche Sätze zu leben. Es gab sie als Kalendersprüchlein oder auf Postkarten, aber sie ersetzten niemals die Art, wie ihre Mutter sie gesagt hatte.
Ihr
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