Mordsviecher
Umgebung liefen Amok. Fehlinformationen und diese verdammten Internetforen richten ja nur Schaden an. Hinzu kommt, dass es in Kalkofen eine große Reitanlage gibt, und da bricht natürlich Panik aus, weil die Reiter befürchten, dass ihre Lieblinge gefährdet sein könnten. Wir wurden bombardiert mit Anrufen, es wurden auch Turniere abgesagt, was aus fachlicher Sicht kaum sinnvoll ist, weil wir von keinem Fall wissen, bei dem sich die infektiöse Anämie direkt von Pferd zu Pferd übertragen hätte. Bisher war es immer die böse Mücke.«
»Ich glaube mich zu erinnern, dass ich da was in der Zeitung gelesen hatte.«
»Ja, Frau Stowasser oder Rosenthal verweigerte jede Aussage, aber es gab natürlich eine tränentriefende Herzblutstory über die junge Frau, deren Isländer getötet werden musste. Sie wissen schon: der Augenstern der Frau, schon als Fohlen gekauft, so viel mit dem Tier durchgemacht … Wenn der Mann hätte eingeschläfert werden müssen, wäre das nur halb so schlimm gewesen. Falls die einen Mann hatte.« Doris Blume atmete tief durch und fuhr fort: »Medial war das natürlich recht ergiebig. Für viele Pferdebesitzer begann ja erst mal das Warten: Drei Wochen nach dem Tod eines erkrankten Pferdes müssen die Kontaktpferde eine Blutprobe abgeben, und selbst wenn die negativ ist, wird nach weiteren vier Wochen noch einmal Blut abgenommen. Erst danach kann Entwarnung gegeben werden. Für die Halter ist das Warten eine Zerreißprobe. Es kam bei uns dann nichts mehr nach, aber in dieser Phase lagen die Nerven blank. Ich habe mir mal die Einträge aus den einschlägigen Internetforen geholt und Ihnen auch was zugemailt. Von ›Verbrechern‹ ist da die Rede, Betroffene, auch aus anderen Bundesländern, haben sich ausgetauscht, ob man Sammelklagen anstrengen könnte. Man versuchte, Schuldige zu finden, Pferdehändler, die mit dem Anämie-Virus infizierte Pferde aus Rumänien importiert haben. Böse Worte gab es auch für die Low-Budget-Käufer, die ganz naiv ein Pferd für fünfhundert Euro kaufen. Die Turnierszene hackte auf die ›brunzdummen Freizeitreiter‹ ein. Und es wurden eben auch massive Vorwürfe an Tierschützer adressiert, die Pferde retten, was andere Pferde allerdings das Leben kostet.«
Irmi fühlte die Anspannung, spürte das Kribbeln, das sie jedes Mal überfiel, wenn sie Witterung aufnahm.
»Wurde Frau Rosenthal denn auch namentlich attackiert?«
»Ja, und wie. Ich habe Ihnen da wie gesagt vorhin was durchgemailt.«
»Ist Frau Rosenthal nicht auch bald darauf verunglückt?«
»Etwa fünf Monate später, im Frühjahr 2009. Pikanterweise bei einem Treppensturz in just jenem Stall, in dem die drei Pferde getötet worden waren«, sagte Doris Blume für ihre Verhältnisse ungewöhnlich leise und langsam.
»Sie begab sich also freiwillig in die Höhle des oder der Löwen? Warum das denn?«
»Das entzieht sich meiner Kenntnis. Schauen Sie, es traten keine weiteren Fälle mehr auf, wir hatten genug anderes zu tun. Probleme mit der Impfung gegen die Blauzungenkrankheit und so weiter. Es ist genug zu tun, wenn Sie es mit der explosiven Mischung aus Renitenz und Verschlossenheit der Werdenfelser Bauern zu tun haben. Das ist wie bei den Lebensmittelskandalen: Aufreger kochen hoch und über, bald aber kühlt das Wasser ab, und auf einer ganz anderen Herdplatte brodelt es wieder. Ich weiß nur, dass natürlich auch auf Behördenebene der Ruf nach besseren Kontrollen des Pferdehandels laut wurde. Alles Lippenbekenntnisse – bisher hat nur die Schweiz die Einfuhr von Pferden aus Rumänien verboten. Und selbst wenn nur noch Pferde einreisen dürfen, die in vorher festgelegten Laboren untersucht wurden und ein Zeugnis von bestimmten Amtstierärzten haben müssen, hat man noch lange keine Garantie, dass nicht schlecht bezahlte Leute an den entsprechenden Stellen bestechlich sind.«
Irmi schwieg.
Doris Blume sagte schließlich: »Ich höre Sie denken, Frau Mangold!«
»Ja, es rattert in meinen alten, verbrauchten Hirnwindungen.«
»Darf ich mitdenken?«
»Denkende soll man nicht aufhalten!« Irmi lachte leise.
»Eine Frau verschuldet das Leben von drei geliebten Pferden. Jeder der drei Besitzer hätte Grund, ihr den Tod zu wünschen.«
»Und diese Frau fällt komischerweise sehr dubios die Treppe hinunter«, ergänzte Irmi.
»Eineinhalb Jahre später wird ihr Mann tot inmitten von Reptilien aufgefunden, die ebenfalls illegal nach Deutschland gekommen sind, das ist uns vom Veterinäramt auch
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