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Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Stowasser wurde zum Unternehmer des Jahres gekürt wegen seiner Produktion, die auf Daunen aus Lebendrupf verzichtet. Wegen seiner Auditierungsprozesse. Wegen seines vorbildlichen Tierschutzgedankens. Da ist es Ihnen egal, dass er illegal Daunen eingeschleust hatte?«
    Bevor der Sockenstrobl noch etwas sagen konnte, grätschte der Anwalt mit schneidender Stimme dazwischen: »Mein Mandant hat Daunen gesehen, Federn, meine lieben Damen. Woher die stammen, konnte er kaum wissen. Er war an den Reptilien interessiert, und dafür werden wir uns auch verantworten.«
    Irmi war klar, dass sie hier nicht weiterkommen würde. Es blieb ihr, ein gefährlich klingendes »Wir überprüfen Ihre Aussagen, Herr Strobl« auszustoßen und sich zu verabschieden. Der Kollege Walch brachte sie noch bis zum Auto.
    »Komische G’schicht«, meinte er. »Strobl ist eigentlich ein Pfundskerl.« Er lachte. »Alte Familie, wissen Sie, Mühldorf vereint die Eleganz der Salzburger und die Urwüchsigkeit der Bayern.«
    »Hm, da hat die Salzburger Eleganz vor Herrn Strobl aber haltgemacht«, grinste Kathi.
    »Aber die Urwüchsigkeit, die hat er im Übermaß!« Man versprach, sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Und Walch verabschiedete sich besonders bei Kathi mit dem Spruch: »Und viel Spaß mit der kurzen Hos!«
    Hinterher war es an Irmi, über das Thema Flirten zu lästern.
    Kathi wehrte sich aufs Heftigste. »Hör mal, der ist uralt.«
    »Keine vierzig, würd ich sagen, gut erhalten, humorvoll, und sein Hintern ist auch nicht zu verachten.«
    »Irmi, echt!«, sagte Kathi in einem Ton, den eine Tochter angeschlagen hätte, die ihre Mutter echt peinlich findet.
    Sie waren guter Laune, trotz der Erfolglosigkeit des Unternehmens. In Partenkirchen fielen sie erst mal beim Inder ein. So hübsch dieses Mühldorf auch gewesen war, Irmi spürte, wie sehr sie diese grauen Brocken vor der Nase brauchte. Wie sehr Alpspitze und Zugspitze zu ihrem inneren Landschaftsbild gehörten. Ohne Berge waren die Bilder einfach kahl. Da fehlte was in der oberen Hälfte.
    Als sie heim nach Schwaigen fuhr, spielte die Antenne mal wieder Achtzigerjahre-Musik. Das war das letzte Jahrzehnt gewesen, in dem etwas geblieben war. Schon wieder fiel ihr der »Letzte Bulle« ein. Das war ja allmählich schon bedenklich. Fehlte nur noch, dass sie sich ein Poster von Henning Baum alias Mick Brisgau aufhängte. Sie musste grinsen.
    Doch ihr fielen kaum irgendwelche Songs aus den Neunzigerjahren oder aus dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ein, die so viel Nachhall hatten. »Sing Halleluja«, das war in den Neunzigern gewesen, glaubte sie sich zu erinnern. Von wem war das noch gewesen? Irgendwas mit einem Doktor. Und Roxette hatte es gegeben, aber die beiden Schweden hatten auch schon in den Achtzigern begonnen. Robbie Williams – ja, der würde vielleicht ein Star bleiben und die Zeiten überdauern.
    Aber würden in zwanzig Jahren die Lieder all jener Damen, die alle irgendwie gleich klangen, noch irgendjemanden interessieren? Würde man in zwanzig Jahren Lady Gaga hören wollen? Oder sich die sogenannten Kabarettisten anschauen? Irmi waren die zu laut, zu proletenhaft, so wirklich lachen konnte sie darüber selten. Vielleicht war sie auch zu alt, sie war nun mal die Generation Loriot – und über den würde man sich auch in hundert Jahren noch amüsieren. Aber Gott sei Dank konnte und musste man nicht in die Zukunft sehen.
    Es war so eine schnelle kurzlebige Welt geworden. Keiner konnte sein Auto mehr selber reparieren. Automechaniker waren längst Mechatroniker an einer spacigen Analysestation geworden. Ein Bügeleisen warf man weg, den Toaster auch, wenn sie ihren Geist aufgaben. Ihr Vater hatte noch alles repariert, oft ebenso beherzt wie fahrlässig. Für ihn selber und all jene, die diese Geräte mit offen liegenden Kabeln später benutzt hatten. Den Toaster hatte sie heute noch und bisher überlebt.
    Irmi machte sich eine Tomatensuppe warm und aß eine Breze dazu, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Währenddessen beobachtete sie den kleinen Kater, der sich von irgendwoher eine von Bernhards Socken geklaut hatte und diese nun hingebungsvoll hochwarf. Irmi hoffte für den Kater, dass es eine frische Socke war. Obwohl, Katzen haben ja eine andere Geruchswahrnehmung …

13
    Kathi rief am nächsten Morgen auf dem Handy an und berichtete, dass das Soferl die ganze Nacht gespuckt hätte und ihre Mutter auch. Und dass sie die beiden jetzt zum Arzt fahren

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