Mordsviecher
gewählt, der die Welt zwar nicht besser machte, aber ein paar Opfern zumindest die Möglichkeit einer Aufarbeitung gab. Im Lauf der Jahre hatte sie genug tote Menschen gesehen, genug Opfer von Gewaltverbrechen, deshalb war es nicht einzusehen, warum sie fünf Sätze über eine Katzenfamilie so erschütterten. Außerdem war sie eine vergleichsweise stabile Person. Wenn sie an die Chefin des Garmischer Tierheims dachte oder an Doris Blume, dann waren das Frauen, die in sich ruhten, und selbst die brachte ihre Arbeit sicher immer wieder an ihre Grenzen. Aber diesen Frauen traute Irmi Regenerationskräfte zu, Sonja Ruf hingegen nicht! Sie schien sich mit ihrer Tierschutzarbeit viel zu viel zuzumuten. Und Irmi befürchtete, dass das bei vielen Tierschützern der Fall war. Tief verwundete Seelen, die sich mit ihrem Ehrenamt noch mehr quälten.
»Frau Ruf, Sie wissen, dass Kilian Stowasser tot ist?«
»Wer wüsste das nicht?«
»Und? Gefühle des Triumphs?«
»Sterben müssen wir alle.«
»Zweifellos.« Irmi suchte den Blick von Sonja Ruf, doch die sah weg. Irmi hatte eines in ihrer Arbeit als Kommissarin gelernt: Schweigen. Schweigen wirkte auf die meisten Menschen erdrückend und versetzte sie in Unruhe. So auch Sonja Ruf.
»Sie wissen doch, dass ich Stowasser nicht mochte. Niemand bei FUF mochte ihn.«
Irmi schwieg weiter.
»Er war eine Sau. Nach außen der engagierte Unternehmer, hinter den Kulissen der bayerischen Wohlanständigkeit ein Betrüger. Einer, der Produkte aus quälerischer Tierhaltung verwendet und sich auch noch brüstet, ein Vorbild zu sein. Das ist ja noch schlimmer. Wenn ich nur aus Unwissen handle, wenn ich einfach nur lasch bin, ist das zwar auch verwerflich, aber der hat doch gewusst, was er tat.«
Sonja Ruf sprach immer noch leise und beherrscht. Sie kontrollierte ihren Hass. Sie redete wie eine Maschine. Wie ein Roboter. Diese Frau war ganz offensichtlich seelisch krank. Irmi fragte sich, wann und wo diese Beherrschung zusammenbrechen würde. Oder sie war längst gebrochen, und Stowasser hatte von ihr endlich seine Strafe bekommen?
»Dann hat die Gerechtigkeit ja nun doch noch gesiegt, nicht wahr, Frau Ruf?«
»Wenn Sie so wollen.«
»Ach, wissen Sie, ich will das eigentlich nicht. Ich halte nichts von Selbstjustiz, in dubio pro reo.«
Sonja Ruf stieß einen angewiderten Laut aus.
»Sie konnten nie beweisen, dass er wissentlich die Daunen manipuliert hat, Frau Ruf!«
»Nein, konnten wir nicht. Aber auch das wissen Sie doch.«
»Das muss frustrierend sein.«
»Tierschutz ist immer frustrierend.«
Auch das hatte Irmi nun schon aus den unterschiedlichsten Ecken gehört.
»Und dann auch noch ein Pferd zu verlieren, und das wegen der Familie Stowasser …« Irmi ließ den Satz einfach so stehen.
Sonja Ruf schwieg, aber über ihr Gesicht huschte ein Schatten.
»Wir waren am Kirnberg«, fuhr Irmi fort. »Sehr hübsch, Ihre kleine Isländerstute. Nur schade, dass sie ihren Freund Sleipnir verloren hat.«
»Ja, schade. Schade um jedes Pferd, das eingeschläfert werden musste! Schade, dass Menschen so infam und ignorant sind.« Nun war Sonja Ruf doch lauter geworden.
»Frau Ruf, ich würde jeden und jede verfluchen, wenn durch irgendjemandes Hand einer meiner beiden Kater zu Schaden käme«, sagte Irmi und betrachtete die Frau, die so wächsern war.
»Ich habe jede Menge Leute verflucht, aber niemanden ermordet. Denn das nehmen Sie doch an, oder. Deshalb sind Sie doch hier?«
»Frau Ruf, ich muss einfach die Leute unter die Lupe nehmen, die Grund gehabt haben, Stowasser zu hassen. Ich brauche Infos zu seinen Lebensumständen.«
»Die waren grandios!« Sonja Ruf klang so bitter, dass Irmi fast zurückschreckte. »Ich würde Ihnen empfehlen, sich mal anderswo umzuhören als bei FUF . Nach außen war man in der guten Gesellschaft gut Freund, doch hintenrum haben die kein gutes Haar an ihm gelassen. Wir waren immer viel zu kleine Lichtlein, um gegen Stowasser anzustinken. Er war uns immer einen Schritt voraus oder zwei.«
»Waren Sie mal in Krün?«
Irmi glaubte ein Zucken in ihrem Gesicht festzustellen, kaum merklich, aber doch vorhanden, den Bruchteil einer Sekunde Angst.
»In Krün hat er sich seine Daunen anliefern lassen, das nehmen wir zumindest an. Er hat da ein Grundstück. Max war dort, und ich war mal mit dabei. Eine Journalistin auch, aber das Ganze ist ein Hochsicherheitstrakt. Drin war nie einer.«
»Max Trenkle?«
Ein Lächeln flog über ihr Gesicht, und sie war auf
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